Wie fast alle anderen Veranstaltungen der Jura Top Tour ist der 36. Roggenberglauf in Oensingen den coronabedingten Einschränkungen zum Opfer gefallen. Bei einer Wanderung auf der Originalstrecke erläutert OK-Präsident Hans Schnider die Ersatzvariante, gibt einige Tipps und erzählt auch die eine oder andere Anekdote.
Start: Es ist nicht der schönste Flecken in Oensingen, zwischen Eisenbahn und Autobahn. Hier, auf der Jurastrasse vor der Kreisschule Bechburg, beginnt die 10,2 Kilometer lange Strecke des Roggenberglaufs. «Ganz am Anfang war der Start bei der Primarschule, doch bald wechselte man hier her», sagt Hans Schnider. Es ist nicht das einzige, das seit den Anfängen geändert hat. Für die Austragung 2019 wurde vom traditionellen Freitagabend-Termin im Frühling auf den September gewechselt, und heuer hätte der Anlass erstmals an einem Sonntag stattgefunden. Hätte, denn am Ende musste auch dieses OK sich dem Corona-Diktatbeugen.«Es sind viele verschiedene Faktoren, die zur Absage geführt haben», erklärt Schnider. Einer hängt mit der Streckenführung zusammen. «Weil wir die Hauptstrasse überqueren und diese jeweils für einige Minuten von der Feuerwehr gesperrt werden muss, kam eine Durchführung mit vielen kleineren Startblöcken, wie es der Weissensteinlauf nächsten Sonntag macht, wegen der erforderlichen längeren Sperrung nicht in Frage. Auch nicht an einem Sonntagmorgen», fügt Schnider an. Wobei mit dem neuen Tag das Problem mit der mühsamen Verkehrslage in der Region umgangen werden kann. «Wir hatten mal einen Motorradfahrer, der auf der A1 stecken geblieben war und zu spät eintraf. Die Mitarbeiterinnen bei der Startnummernausgabe haben ihm alles vorbereitet, er hat sich dann direkt vor ihnen umgezogen und konnte so kurz nach dem Startschuss ebenfalls auf die Strecke», berichtet Schnider. Derselbe Läufer sei ein Jahr später ebenfalls wieder angetreten und habe sich für die Hilfe im Vorjahr explizit bedankt.
Kilometer 1:«Die ersten 800 Meter sind flach und verleiten dazu, den Lauf zu schnell anzugehen», sagt Schnider während des ersten Anstiegs auf der Ausserbergstrasse. Hier, an der Kreuzung mit dem Burgweg, endet jeweils das Rennen der Jüngsten, praktisch vor Schniders Haustür. Hier ist der 59-jährige Produktionstechniker aufgewachsen, als Sohn des Försters Hans Schnider, weshalb er in älteren Dokumenten mit dem Zusatz «jun.» bezeichnet ist.
Kilometer 1,5: «Nur der letzte Aufstieg vor der Krete ist noch steiler», erläutert der OK-Chef am Waldrand des Vogelherds, wo die Laufstrecke vom Asphalt auf die flachere Waldstrasse übergeht. Dort, wo die älteren Schülerinnen und Schüler ihren Wettkampf beenden. Dort, wo der Neuweg und der Oberallmendweg in die Vogelherdstrasse einmünden. Dort, wo einst das Clubhaus des Vogelherdclubs stand. Und wo Schniders Leidenschaft ihr Zentrum hat. Er präsidiert nicht nur seit 2007 einen der beiden Vereine, die alle drei Jahre mit der Sonnwendfeier für das weitherum spektakulärste Feuerwerksorgen, als ausgebildeter Pyrotechniker ist er auch Chef und Gestalter des VCO-Feuerwerks. Und ist damit federführend, wenn auf den zuvor genannten Wegen über mehrere hundert Meter Abschussrohre mit tonnenschweren kugel- und zylinderförmigen Ladungen eingerichtet werden.
Kilometer 2: Am Erdbeerirain, wo der Puls wieder leicht zurückgeht, blickt Schnider auf seine sportlichen Aktivitäten zurück. «In jungen Jahren lief ich Mittel und Langstrecken. Später betreute ich im Solothurner Leichtathletik-Verband den Nachwuchsbereich, war zudem Kampf und Schiedsrichter.» Heute bedeutet für ihn Sport,sich fit zu halten, zu Fuss oder auf dem Bike. Dass er vor über 20 Jahren in die Funktion des OK-Präsidenten eines Laufes rutschte, war eine Frage der Logik. «Als der Schlittschuhclub, der den Lauf ins Leben gerufen hat, aufhören wollte, hat der Vogelherdclub, der schon mit der Festwirtschaft beteiligt war, mit Heinz Neuhaus an der Spitze den Anlass 1992 übernommen. Ich war damals für die Zeitmessung zuständig.» Als bald ein neuer OK-Chef gesucht war, übernahm Schnider den Posten – «weil im Vogelherdclub eigentlich die wenigsten etwas mit Laufsport am Hut haben…».
Kilometer 3: Mittlerweile geht es auf der asphaltierten Alpstrasse kontinuierlich, aber mit einerTempoverschärfung, bergwärts. «Eigentlich laufe ich diese Strecke ja nie. Und ich habe den Roggenberglauf auch nie als Wettkampf bestritten», erklärt Schnider. Umso mehr geniesst er die Bewegung in der Natur. «Ich bin beileibe kein Grüner, aber ich setze mich für Natur und Umwelt ein», präzisiert er. « Die Schweiz ist meines Wissens das einzige Land der Welt, wo der Schutz des Waldes in der Verfassung verankert ist.»
Kilometer 4: «Dreckweg» oder «Jahrzahlweg» –die Bezeichnungen der links und rechts abzweigenden Waldwege sind mannigfaltig. Und auch die zahlreichen Signalisationen. Die Bürgergemeinde Oensingen hat eine Karte mit den zehn schönsten Wanderungen herausgegeben und die Strecken mit weissen Pfeilen und Nummern markiert. Die Route des Roggenberglaufes ist als Nummer 10 ausgeschildert. Am Wettkampf wäre übrigens in diesem Bereich der Strecke die Verpflegung stationiert.
Kilometer 5: Auf dem Husbrunnenweg, der die Läufer wieder Richtung Südwest führt, gehts, bei zunehmender Steigung, im Gespräch ums Vereinsleben und um ehrenamtliche Tätigkeiten. Schnider darf durchaus als Extrembeispiel bezeichnet werden: 28 Jahre wirkte er in der Feuerwehr, er ist Mitglied des Bürgerrates, er gehörte während zehn Jahren im Nebenjob dem Rettungsdienst des SRO Langenthal an – nicht zu vergessen die vorgängig erwähnte Pyrotechnik, wo er immer wieder Neues und Spezielles sucht. Über 2000 Feuerwerke habe er weltweit schon gesehen, und daraus immer wieder Inspirationen für Oensingen gefunden. Nächsten Frühling wäre es übrigens wieder soweit, doch Schnider bleibt skeptisch. «Da müsste in den nächsten Monaten schon einiges geschehen.» Mittlerweile abgesagt ist der Zibelimäret Oensingen im Oktober, wo der Vogelherdclub mit dem grössten Zibeli-Verkaufsstandvertretenist. Damit und mit dem Roggenberglauf generiert der Verein einen Teil jener Einnahmen, die für das Feuerwerk erforderlich sind. Wie eine Feuerwerksrakete stürzt übrigens auf diesem Abschnitt ein Reh über den Weg – etwas, das beim individuellen Laufen eher zu erleben ist als am Wettkampftag im Pulk der Läuferinnen und Läufer.
Kilometer 6: Noch wenige hundert Meter zum Kulminationspunkt der Strecke. Die Wegbeschaffenheit zwingt zu einem kontrollierten Laufen, der steile Anstieg kratzt an den Reserven. «Wadenbrecher» nennt Schnider dieses Teilstück, wo der gemächlichere Wanderer durchaus mal stillstehen sollte: An zwei, drei Stellen lockt eine wunderbare Aussicht aufs Untergäu sowie bei klarer Sicht aufs Alpenpanorama. Nur wenig später scheint der Aufstieg geschafft – doch die Freude ist verfrüht. Der Roggenweg zweigt links ab auf den höchsten Punkt und steigt dabei nochmals an.
Kilometer 7: Endlich gehts abwärts, über zwei Kilometer lang ist die «Abfahrt» zum Balsthaler Roggen. Hier öffnet sich nun auch gelegentlich der Blick ins Thal, wobei es je nach Lauftempo durchaus ratsam ist, hier das Augenmerk auf den Untergrund und nicht auf die Aussicht zu richten.
Kilometer 8: «Ursprünglich führte die Strecke hier links hinauf am Hang entlang und dann am Fusse der Fluh hinunter zum Ziel. Aber weil es im Steilhang bei nassen Verhältnissen für die Läufer zu riskant war und Stürze gab, geht der Parcours nun rund um den Hügel», erläutert Schnider während dem Marsch auf dem kurzen Asphalt-Abschnitt beim Balsthaler Roggen.
Kilometer 9: Optisch scheint es eigentlich flach. Doch wer bereits über 400 Höhenmeter absolviert hat, der spürt nun auch die sanfteste Steigung. Zwar weiss man hier, dass die Anstrengung nur noch wenige Minuten dauert. Aber vom Ziel und damit auch vom Bergrestaurant ist weit und breit nichts zu sehen.
Kilometer 10: Nochmals gehts aufwärts. «Hier schmerzen die Muskeln», meint Schnider, was sich durchaus nachvollziehen lässt. Selbst hier, 200 Meter vor dem Ziel, lässt sich das Ende nur erahnen. Dafür sieht man eine Gruppe Pferde, die im Vorjahr für eine überraschende Episode gesorgt hat. Als der ehemalige Radprofi und Triathlet Marcel Klaus ins Ziel lief, folgten ihm 17 Pferde durch den Zieleinlauf, was Joerg Oegerli zu einem aussergewöhnlichen Schnappschuss verhalf.
Ziel: Gute zwei Stunden nach dem Start steht der OK-Chef auf der Ziellinie hinter dem Bergrestaurant, dort, wo die Teilnehmenden der Challenge mit einem Selfie zu bestätigen haben, dass sie wirklich oben angekommen sind. «Aber es geht weder um die Zeit noch um eine Rangliste», betont Schnider. «Für uns ist es eine Möglichkeit, dass der Roggenberglauf trotz Absage nicht in Vergessenheit gerät.Und für die Teilnehmenden solles einfach ein Anreiz sein, diese Strecke zurückzulegen. Aber nicht mit Vollgas, sondern schlicht als Spass und aus Freude.»
Jedem und jeder das persönliche Rennen
«Lauf Dich frei – sei beim RBL 2020 dabei», lautet das Motto für die Ersatzvariante des Roggenberglaufs. Läuferinnen und Läufer wie auch Nordic Walkerinnen und Walker sind eingeladen, die Originalstrecke zwischen dem 31. August und dem 13. September individuell zu absolvieren. Wer beim Kreisschulhaus Bechburg an der mit «Start» markierten Stelle ein Selfie macht, anschliessend den Berg hinauf läuft, walkt oder wandert, die Zielankunft ebenfalls mit einem Selfie festhält und die beiden Fotos per E-Mail an rbl-challenge@roggenberglauf.ch schickt, der nimmt an einer Verlosung von zehn Gutscheinen für das Bergrestaurant Roggen teil.
Weitere Informationen findet man auf der Website www.roggenberglauf.ch.