Seit Juni dieses Jahres wird der «Alte Spittel» in Olten umgebaut. Das Amt für Denkmalpflege und Archäologie nutzte die Gelegenheit und führte baubegleitend eine Untersuchung durch. Dabei legten die Fachleute wichtige Befunde aus der römischen Zeit, aus dem Spätmittelalter und aus der Neuzeit frei.
Die Liegenschaft Marktgasse 27 liegt im oberen Teil der Oltner Altstadt, angebaut an die mittelalterliche Stadtmauer. Ebenfalls Teil der Liegenschaft ist der Hexenturm, der in einem kleinen Innenhof zwischen dem «Alten Spittel» und der «Spittelschür» steht. Die archäologischen und bauhistorischen Überreste kamen gleich nach dem Abbau der modernen Böden und dem Abbrechen der modernen Wandverkleidungen zum Vorschein.
Gut erhaltene Mörtelböden
Die römischen Befunde liefern wichtige Erkenntnisse zur Siedlung des ersten bis dritten Jahrhunderts, dem sogenannten Vicus, und zur spätrömischen Befestigung des vierten und fünften Jahrhunderts n. Chr., dem sogenannten Castrum. Im Vicus stand hier an prominenter und gut sichtbarer Stelle über der Dünnern ein grosses, massiv gebautes Gebäude, das mehrmals erneuert wurde. Davon zeugen vier übereinanderliegende, teilweise sehr gut erhaltene Mörtelböden. Über diesen Böden wurde zudem die Mauer eines jüngeren römischen Gebäudes gefunden.
Neuer Fund bringt neue Beweise
Im vierten Jahrhundert n. Chr. wurde der Vicus stark verkleinert und mit einer massiven, bis zu 3,5 Meter dicken Mauer befestigt. Die spätrömische Siedlung, das Castrum, nahm ungefähr die Fläche der heutigen Oltner Altstadt ein. Im Norden und Westen ist der Verlauf der Befestigungsmauer noch heute am Verlauf der Häuser am Klosterplatz und am Oberen Graben ablesbar, denn die mittelalterliche Stadtmauer wurde direkt auf der spätrömischen Castrumsmauer errichtet. Im Süden und Osten dagegen war der Verlauf der Castrumsmauer bis jetzt unbekannt; in der Fachwelt ist er seit über hundert Jahren umstritten. In der aktuellen Untersuchung kam nun im Innern des Hexenturms ein Stück der hier min destens 1,8 Meter breiten Castrumsmauer zum Vorschein. Es beweist, dass das Castrum im Süden sogar ein wenig über die heutige Altstadt hinausreichte, denn der weitere Verlauf des neu entdeckten Mauerstücks führt über die heutige Mauerfront hinaus.
Eigentlich als Gefängnis vorgesehen
Im Gebäudeinnern kamen mehrere Lehmböden und ein Balken einer Wandkonstruktion eines spätmittelalterlichen Hauses zum Vorschein. Es dürfte sich dabei um die Reste des Hauses handeln, das der Stadt im Jahr 1482 vom Ehepaar Scherrer zur Errichtung eines «Spittels», eines Armen- und Waisenhauses, geschenkt wurde.
Beim heute bestehenden Spittel-Gebäude handelt es sich um einen vollständigen Neubau, der laut der Jahrringdatierung der Balken 1545 gebaut wurde. Obwohl Umbauten und Umgestaltungen das Gebäude über die Jahrhunderte immer wieder veränderten, behielt es seine bauzeitliche Grundstruktur weitgehend bei. Bemerkenswert ist, dass der Hexenturm gleichzeitig mit dem Spittel errichtet wurde. Aufgrund seiner Baustruktur ist anzunehmen, dass er nicht als Teil der Stadtbefestigung diente, sondern von Anfang an für eine Nutzung als Gefängnis vorgesehen war.
Das Unglück von 1866 und seine Folgen
Am 20. März 1866 stürzten die halbe Südfassade des Spittels und die Fassaden der beiden östlich angrenzenden Häuser ein. Schon länger hatten Baufachleute vor einem Einsturz der auf unsicherem Grund stehenden Gebäude gewarnt – vergeblich. Auch über 150 Jahre nach dem Unglück liess sich das Ausmass des Schadens noch eindeutig im Boden und in den Mauern des Gebäudes ablesen. Die Osthälfte der Südfassade der Marktgasse 27 war bis ins Dachgeschoss abgerutscht, das Gebäude selbst aber stehengeblieben. Die alte Stadtmauer war 1,5 Meter breit, die neue, nach 1866 errichtete Mauer nur noch 1,3 Meter.