«Sei freundlich, denn jeder kämpft eine Schlacht, von der du nichts weisst.» Seit ich kürzlich über diesen Spruch gestolpert bin, begegnen mir jeden Tag zig Beweise dafür, wie wahr er ist. Letzte Woche zum Beispiel stieg eine Frau ohne Gesichtsmaske ins Tram ein. Wenn Blicke töten könnten, sage ich nur… auch ich dachte mir meine Sache. Auch ich nervte mich, dass sich mal wieder jemand nicht an die Regeln hält. Die angespannte Stimmung war richtig spürbar, bis ein anderer Fahrgast zu der Frau in genervtem Ton sagte: «Was ist so schwierig daran, eine Maske anzuziehen?», gefolgt von ein paar Fluchwörtern. Sie schaute ihn an. Atmete tief durch und sagte: «Ich gebe ihnen gerne eine Antwort. Vor zehn Minuten habe ich erfahren, dass meine Schwester einen Unfall hatte und im Spital liegt. Ich bin einfach nur losgerannt ohne Tasche, ohne Maske, ohne gar nichts. Ich will einfach so schnell wie möglich zu ihr fahren.»
Die Tränen liefern ihr über die Wange. Der Mann war natürlich total perplex, wie wir alle, die diese Szene beobachteten. Er sagte nichts, desinfizierte sich die Hände, griff in seinen Rucksack und reichte der Frau eine neue Maske. Der Ausdruck in ihren Augen, als sie ihm einfach zunickte, sagte mehr als tausend Worte.
Lassen wir uns nicht hinreissen zu gehässigen Sätzen oder Gemotze in Situationen, in denen wir nicht das ganze Drumherum kennen – trotz oder gerade wegen Corona. Seien wir freundlich, denn jeder kämpft eine Schlacht, von der wir nichts wissen.
Sabrina Glanzmann schenkte dem Mann beim Aussteigen ein anerkennendes Lächeln. Er lachte zurück.