Gelernt hat er Koch, sein Berufswunsch in jungen Jahren war Hoteldirektor. Dabei war der Weg in den Kinosaal für Koni Schibli vorgezeichnet. Aber Schibli ist viel mehr als «nur» Kinounternehmer, er ist auch Eventmanager, Gastronom und Visionär. Deshalb versucht er nun rotzfrech, in Olten umzusetzen, was in London funktioniert: Das Boutiquekino.
Das Kino ist tot. Es lebe das Kino! – Mit diesem Credo zelebriert Koni Schibli in diesen Tagen die Neueröffnung seines Boutiquekinos «Kinokoni» im ehemaligen youcinema im Oltner Bifangquartier. Da stecken die Kinos wegen Corona weltweit in der Krise, und Schibli geht mit seinem neuartigen Konzept einer «Film Food Lounge» in die Offensive. Für ihn mitnichten ein Widerspruch. «Wir müssen zeigen, dass es uns noch gibt, dass wir neue Konzepte realisieren können. Dass wir ans Kino glauben», sagt Schibli. Begleitet wurde die Eröffnungswoche, die gestern zu Ende ging, mit zahlreichen Aktionen und Rabatten und freiem Zugang zum ebenfalls neu realisierten Kinomuseum.
Stimmt schon: Wenn nicht mal mehr einer wie er an die Zukunft, an die Magie des Kinos glaubt, kann man den Abspann auf die Branche getrost laufen lassen. Koni Schibli, der infizierte Cineast von Kindesbeinen an. Schon als Sechsjähriger war er Platzanweiser im elterlichen Kino Palace und zog mit Anfang zwanzig nach Los Angeles, wo er Filmwirtschaft studierte und während dreier Jahre ein altehrwürdiges Hollywoodkino am Sunset Boulevard mit 800 Plätzen managte. Nach seiner Rückkehr aus den Staaten arbeitete er drei Jahre im Ruhrgebiet und war im Auftrag von Warner Bros. verantwortlich für Multiplexkinos mit zehn und mehr Sälen. 1998 kehrte Koni Schibli nach Olten zurück, als Geschäftsführer der damaligen Oltner Cinemas AG seiner Eltern; noch nicht mal dreissig, aber mit prall gefülltem Rucksack an Know-how und Erfahrung. Und mit einem unbändigen Tatendrang, denn blosses Verwalten ist sein Ding nicht: «Ich bin ein Gestalter, mag es, meine Ideen konzeptionell auf Papier zu bringen und umzusetzen.» Kein Zufall, um nur ein Beispiel zu nennen, dass er im selben Jahr das erste Open-Air-Kino in der Schützi lancierte.
Das Genuss-Konzept
«Ich liebe Genuss», sagt der 51-Jährige, der seine Ruhe in der täglichen Meditation findet. Auf Genussmenschen wie er selber einer ist zielt das Konzept seines neuartigen Boutiquekinos ab. Alle vier Säle im ehemaligen youcinema hat er mit bequemen, edlen Polstersesseln oder Sofas ausstatten lassen. Sie bieten extra viel Beinfreiheit und verführen in verschiedensten warmen Samttönen zum unverschämten drin Fläzen. Zur Wohnzimmeratmosphäre gehört, dass man als Kinogast an der Theke nicht nur das Ticket löst, sondern auch gleich die Bestellung aufgibt. Das Glas Wein, der Kaffee-Cocktail im formschönen Glas oder der frisch zubereitete Fingerfood werden direkt zum Kinobesucher an den Platz serviert. «Im Idealfall», erklärt Schibli seine Vision, «heissts daheim: Komm, wir gehen ins Kino, machen uns einen schönen Abend und lassen uns verwöhnen.» Welcher Film im «Kinokoni» dann gerade läuft, ist laut Idealvorstellung des Gastgebers nur noch zweitrangig. Gastgeber Schibli also als «Eventmanager, Gastronom und Visionär», wie die «Schweiz am Wochenende» ihn unlängst betitelt hat, in einem. Das passt durchaus: Koch hat er mal gelernt, aber keine Sekunde in diesem Beruf gearbeitet. «Und ja: Hotelier, das war immer ein Kindheitstraum von mir», sagt Schibli, der es schafft, bei allem spürbar drängenden Unternehmertum bescheiden, geerdet und freundlich zu sein.
Nach London kommt gleich … Olten
Im letzten Winter hat Schibli das Kino in Olten mit seinen vier Sälen anhand des neuen Konzepts umgebaut und von 450 auf 250 Sitzplätze redimensioniert. Eine aufwändige Sache, die er sich 1,2 Mio. Franken hat kosten lassen und für dessen stylisches Look and Feel Designerin und Lebenspartnerin Karin Wyser verantwortlich zeichnete. Das Design vermittle «Grossstadt-Ambiance», heissts in der Projektmappe für die Medien. Das kommt nicht von ungefähr: «In London spriessen diese Konzepte wie Pilze aus dem Boden», weiss Schibli. Also besuchte er Tochter Jana (23), die dort Fashion Journalism studiert, noch ein bisschen öfter und ging in den dortigen Kinos ein und aus, um das Ganze zu verinnerlichen und für seine «Kinokoni»-Idee zu adaptieren. Also gibts derlei Boutiquekinos in den europäischen Metropolen wie Sand am Meer? Er verneint. Da ist London, dann kommt Olten. Tönt ganz schön gut.
Maske? «Ein grässlicher Gedanke»
Weniger gut tönen die aktuellen Zahlen. Normalerweise setzt Schibli mit seinen zwölf Kinosälen in Olten und Oftringen (siehe Kasten) rund 8,5 Mio. Franken jährlich um. Seit Wiedereröffnung nach dem Lockdown erzielt er mit «Kinokoni» und you cinema noch rund 30 Prozent der normalen Umsätze. Eine Maskenpflicht für die Besucherinnen und Besucher seiner Kinos kam für ihn nie in Frage. «Ein grässlicher Gedanke für mich», sagt er. Im Kino wolle man den anderen sehen, gemeinsam geniessen, mitzittern, sich freuen und lachen. Also stehen derzeit nur die Hälfte der Plätze zum Verkauf, um die Abstände einhalten zu können. Zudem wird penibel genau darauf geachtet, dass die Vorstellungen in 20-Minuten-Abständen beginnen, damit die Besucher zu Beginn und in der Pause des Films aneinander vorbei kommen. Sein Worst-Case-Szenario für die Branche? «Normale Rahmenbedingungen für uns Kinobetreiber erst 2022. Und vielleicht gar irgendwann die Einführung der Maskentragepflicht in den Kinosälen.» An den Gedanken, im Frühjahr seine Kinos wieder voll auslasten zu dürfen, mag er kaum glauben. Noch immer sind seine 140 Angestellten zu 50 bis 60 Prozent in Kurzarbeit, diese Massnahme und ein Covid-Kredit über 850 000 Franken haben die Ausfälle abfedern helfen.
Kommt Bond wirklich?
Und die unmittelbare Zukunft? Die Kinobranche verharrt in einer Art Schockstarre, die Premieren grosser Blockbuster wurden verschoben, andere Filme während des Lockdowns auf Streamingplattformen veröffentlicht. Eine fatale Ausgangslage. Ab 12. November nun soll Bond zumindest die Kinowelt retten, wenn die Premiere des letzten Films mit Daniel Craig über die Leinwände flimmert und die Säle füllen soll, so gut dies aktuell möglich ist. Schibli hofft bloss, dass die Premiere stattfindet und Bond die Kassen mal wieder klimpern lässt. So oder so ist ungewiss, ob das Boutiquekonzept von «KinoKoni» sich in Olten durchsetzen wird. Klar ist: Bei einem nur moderat höheren Ticketpreis (zwischen 1 und 3 Franken) braucht es zwingend einen höheren Pro-Kopf-Umsatz, um die Mehrkosten decken zu können. Sonst geht die Rechnung nicht auf. Schibli ist zuversichtlich: «Wir wecken mit unserem Angebot bei Kinokoni ganz andere Bedürfnisse als in herkömmlichen Kinos.» Alles eine Frage des Zielpublikums also? Zweifel könnten aufkommen, wenn man ihn erzählen hört, dass er M&M’s bereits wieder ins Sortiment hat aufnehmen müssen. Die Nachfrage für den Klassiker, den er eigentlich zu Gunsten edlerer Schoggibällchen aus dem Sortiment gestrichen hatte, war schlicht zu gross …
Vortragsreihe zu brennenden Themen
Koni Schibli hat die Zwangspause genutzt, um eine eigene Streamingplattform aufzubauen, die Ende Jahr zur Verfügung steht. Im «Kinokoni» sollen monatlich Events zu aktuellen Themen stattfinden, auch immer mit Bezug zum Film. Diese Reihe organisiert seine mittlere Tochter Jade, die Teilzeit im Marketing bei ihm arbeitet. Am 26. November eröffnet das «Zukunftsbüro» seinen Standort in Olten. Eine Anlaufstelle für Menschen, die eine Idee haben, diese umsetzen möchten und jemanden brauchen, der ihnen zuhört und im besten Fall Türen öffnet. Tags darauf, am Black Friday, will «Kinokoni» der Bewegung «Fashion for future» eine Plattform geben und einen kritischen Blick auf die Kon sumgesellschaft werfen. Selbst eine Greta Thunberg möchte er dereinst live in sein Kino streamen, zur Premiere eines Dokfilms. «Ich finde es cool, dass die Jugend heute etwas macht», sagt Schibli. Er tuts im Wissen darum, dass er sich mit solchen Aussagen nicht nur Freunde schafft. Und im Wissen, dass sein ökologischer Fussabdruck als Kosmopolit suboptimal ist. Der Lockdown hat ihn nachdenklich gemacht. «Deshalb möchte ich die Debatte mit meinen Mitteln aufnehmen.»
Konzept passt in die Städte
Für den Moment auf Eis gelegt hat er die Expansion seines Boutiquekino-Konzeptes in andere Schweizer Städte. In Basel hat er längere Zeit vergeblich verhandelt. In Bern könnte er sich eine Umsetzung «sehr gut» vorstellen. Er brauche 500 bis 1000 m2 freie Gewerbefläche, sagt er, bei einer Raumhöhe von vier bis fünf Metern. Dann könne er zwei bis vier Säle kinokonimässig realisieren.
In diesen Tagen aber gilt sein Fokus ganz der Lancierung von «Kinokoni». Natürlich war er jeden Abend selber vor Ort und weiss: Die Abläufe müssen optimiert werden. Gestern gings zurück nach Grasse, in der Nähe von Cannes, wo er zeitweilig lebt und seine Partnerin und eine seiner drei Töchter, Anaïs, ihren festen Wohnsitz haben. Er schmunzelt. «Da inszeniert sich Cannes Jahr für Jahr als Filmmetropole, und ihre Kinos sind in einem desolaten, teils heruntergekommenen Zustand!» Wahrscheinlich werde er 2021 an der dortigen Immobilienmesse teilnehmen und sein «Kinokoni»-Konzept im Franchisingsystem feilbieten. Er sagts und lächelt. «So einen Versuchsballon zu starten, kann nie schaden.»
Kinomuseum im Foyer
Während des Lockdowns konnte Koni Schibli einen lang gehegten Traum verwirklichen: Er realisierte ein Museum über die Oltner Kinogeschichte – und zeichnete auf diese Weise auch gleich die eigene Familiengeschichte mit den beiden sich konkurrenzierenden Schibli-Dynastien nach. So übernahm der 23-jährige Kurt Schibli 1921 das Kino Lichtspiele, sein Cousin Bruno, der Grossvater von Koni Schibli, errichtete 1926 das Kino Palace, über welchem Klein Konrad später aufwachsen sollte. So ging das auf beiden Seiten während Jahrzehnten weiter und zeitweise bis vor Gericht, bis schliesslich Konis Eltern, Peter und Isabelle Schibli, 1986 die drei Kinos der anderen Schibli-Linie übernehmen konnten und somit alle fünf Kinos auf dem Platz in ihrer Hand waren. Nebst Lichtspiele und Palace damals auch das Capitol, das Rex und das 1981 eröffnete Camera. All dies und noch mehr ist nun im Foyer vor dem Kinosaal 4 im «Kinokoni» nachzulesen und anzuschauen. Das Design stammt auch hier von Karin Wyser, für Recherche und Texte besorgt war Schiblis Tochter Jana. Zu bestaunen ist beispielsweise ein 35-mm-Kinoprojektor aus dem Jahr 1905 oder ein historischer Ticketautomat. «Die letzten Monate waren diesbezüglich sehr intensiv, weil ich auch selber in Archive abgetaucht bin», erklärt Koni Schibli. Es sei schön, dass so viel Material aus früheren Tagen zusammengekommen sei und dass man dies den Kinogästen nun präsentieren könne. «Ein paar Wände sind noch leer, so alle zwei Jahre sollte was Neues ergänzt werden», sagt Schibli. Und lächelt. Das dürfte ihm nicht allzu schwer fallen.
«Kinokoni» in Olten, youcinema in Oftringen
Mit der Umbenennung von youcinema in «Kinokoni» auf dem Platz Olten hat Konrad Schibli konzeptionell sehr bewusst einen Kontrapunkt gesetzt: In Olten das neuartige und luxuriöse Boutiquekino, dort, im 7000 m2 grossen Komplex in Oftringen mit sechs Sälen, ein eher auf die breite Masse ausgerichtetes Angebot. Seit Schibli das ehemalige «Fun-Maxx» 2008 pachtweise übernehmen und 2012 dann ersteigern konnte, steigerte er die Auslastung des Betriebs um das Dreieinhalbfache. Zum You-Event-Center in Oftringen gehören nebst sechs youcinema-Kinos mit insgesamt 800 Plätzen auch verschiedenste Gastronomieangebote, Food-Outlets, Seminarräume und diverse weitere Freizeitangebote.
Um die Standbeine Kino, Gastronomie, Events und Raumvermietung besser und zielgerechter vermarkten zu können, soll der Gebäudekomplex als solches künftig vermehrt ins Zentrum gerückt werden. Typisch für den innovativen Macher: Auf dem Gelände soll als nächstes ein Indoor-Sportpark entstehen. Dort, wo er diesen Sommer quasi zur Überbrückung ein Autokino aus dem Boden gestampft hat, sollen dereinst auf maximal 3000 m2 ein Ninja-Warrior-Park, ein Trampolin-Park, ein Laser-Tag, eine Indoor-Minigolf-Anlage und eventuell auch eine Bowlinganlage zu stehen kommen. «Einsprachen liegen keine vor, die Pläne sind fixfertig», sagt Koni Schibli. Noch fehlt ein Investor. Und vielleicht auch ein bisschen rosigere Zeiten.
Voran gehts trotzdem im You-EventCenter: Bereits am 11. November wird die Showküche eröffnet. Diese kann gemietet werden, es werden dort aber auch Kochkurse oder Teamevents angeboten.