«Wir wollen nicht einfach einen Tunnel bauen sondern ein Gesamtlogistiksystem aufstellen», sagt Klaus Juch. Der Projektleiter Construction Planning von «Cargo sous terrain» gehört jenem neunköpfigen Team an, das im operativen Büro in Olten die Vorarbeiten zum Projekt einer unterirdischen Güter-Metro vorantreibt.
Herr Juch, was ist der Antrieb, für ein Projekt zu arbeiten, dessen Umsetzung noch gar nicht gesichert ist?
Klaus Juch: Ich bin ein Typ, der gerne Neues angeht. Das war schon in meinem ganzen beruflichen Leben so. Ich habe mich nie nur auf ein Thema konzentriert, sondern immer wieder Neues gesucht. Es entspricht mir sehr, neue Sachen anzugehen, zu organisieren, aufzubauen, die Zukunft zu formulieren, zu konkretisieren und schliesslich auch geschehen zu lassen. Es ist auch besonders spannend, weil es ein Startup-Unternehmen ist. Wir formen aus einer Idee eine neue Firma. Manches ist unklar, wir haben mehr Fragen als Antworten. Cargo sous terrain kann man nicht erlernen, denn vieles ist anders, beziehungsweise es wird in Kombination anders definiert. Wir sind zwar innovativ, aber wir sind nicht durch neue Technologien getrieben.
Aber Tunnelbau oder Liegenschaften waren für Sie ja schon vorher ein Thema, und Ideen für einen Tunnel durch die Schweiz gab es auch schon. Worin liegen die entscheidenden Unterschiede?
Der Tunnel ist zwar der grösste Bauteil, aber das Projekt umfasst viel mehr. Es geht um ein Gesamtlogistiksystem, eine Infrastruktur, die von der Anlieferung über den Transport bis hin zur Feinverteilung alle Schritte umfasst – vernetzt, automatisiert und digitalisiert. Für andere Projekte, bei denen ich schon involviert war, bestand eine Gesetzesgrundlage, aufgrund der man die Bewilligung einholen musste und nachher bauen konnte. Hier ist es so, dass es noch gar keine gesetzliche Grundlage gibt. Bezüglich anderer Tunnel-Ideen: Es hat schon verschiedene Efforts gegeben, aber bei denen fehlte mir der Realitätsbezug, beispielsweise bei der SwissMetro, bei der man mit einer Magnetschwebebahn im Vakuumtunnel mit hoher Geschwindigkeit Personen transportieren wollte.
Nun liegt die bundesrätliche Botschaft vor. Entspricht diese Ihren Anforderungen und Wünschen?
Das Gesetz hilft uns zu vielleicht 95 oder 99 Prozent als wertvolle Stütze für die Koordination über mehrere Kantone hinweg. Es gibt jedoch mehrere Punkte, bei denen wir das Gefühl haben, dass man noch klarer und präziser sein muss. Der Bund sieht sich als Ansprechpartner in koordinierender Rolle. Unseres Erachtens sollte er bei der Definition der Standorte und der Streckenführung vertiefter mitdiskutieren und mitbestimmen. Es ist jedoch ein Privileg, dass wir das Plangenehmigungsverfahren anwenden und das Projekt in diesem Rahmen realisieren dürfen.
Worin liegt gegenwärtig Ihre Haupttätigkeit?
Wir sind aktuell recht politisch unterwegs, pflegen einen regen Austausch in alle Richtungen. Wir sprechen mit dem Bundesamt für Verkehr und mit anderen Bundesbehörden, pflegen einen Austausch mit den Kantonen, die das Gesetz letztlich in ihren Verwaltungen manifestieren müssen und deshalb ihre Haltung einbringen sollen. Ich sehe mich generell als Brückenbauer. Es geht aber auch darum, sukzessive neue Leute zu involvieren, Aufträge zu formulieren und Mandatsverträge abzuschliessen. Das treibt mich momentan fast am meisten um.
Ein System selbstfahrender Fahrzeuge im Tunnel kann man sich vorstellen. Etwas schwieriger ist es bei der CityLogistik.
In den Städten herrscht ein erheblicher Versorgungsverkehr, mit jensten Kleinlastwagen und Dreieinhalbtönnern. Die Zustelldienste haben zugenommen. Im Minutentakt fahren verschiedenste Lieferwagen ins Quartier, werden irgendwo abgestellt. Das ist eine grosse Belastung. Unsere Idee ist, dies zu koordinieren und die Verteilung der Warenmenge anzupassen – für ein Päckli kommt der Velokurier, für eine grosse Ladung Päckli ein einziger, ökologisch betriebener, emissionsfreier Lastwagen. Ein Erfolg unseres Projektes besteht bereits darin, dass das Thema City-Logistik auch auf Bundesebene angekommen ist. Erste Gehversuche in diese Richtung wollen wir ab 2021 in Zürich unternehmen.
Wie sieht der allgemeine Stand der Vorarbeiten aus?
Der Terminplan ist sehr sportlich. Aber wir arbeiten in Etappen und sind gut unterwegs. Wir streben klar eine rasche Realisierung bis 2031 an, jedoch warten noch viele Herausforderungen auf uns.
Und finanziell?
Die aktuelle Phase bis 2021 mit einem Bedarf von 17 Millionen Franken ist gut ausfinanziert. Für die Baugenehmigungsphase, das heisst bis 2026, sind die erforderlichen rund 100 Millionen Franken unwiderruflich zugesichert. Für die dritte Phase, die Realisierung, führen wir die ersten Vorgespräche und sind überzeugt, in zwei bis drei Jahren mit unseren Aktionären und Partnern gute Lösungen zu finden.
Welche Feedbacks erhalten Sie eigentlich auf dieses Projekt?
Die einen sagen, ihr wollt zu schnell vorangehen. Andere wiederum meinen, dass man ein derartiges System schon lange haben müsste und viel zu spät dran ist. Ich denke, der Zeitpunkt ist richtig, weil das Bedürfnis jetzt vorhanden ist. Wenn es den Bedarf nicht gäbe, dann gäbe es auch keine Legitimation für ein eigenes Gesetz. Ein Gesetz, das auf unsere Be dürfnisse ausgelegt ist. Aber noch schneller vorangehen können wir fast nicht. Wir wollen das Ganze partizipativ aufbauen, wollen Mitwirkung erreichen. Dazu müssen wir Kontakte herstellen und den Austausch pflegen, was bekanntlich in dieser Zeit mit Corona besonders schwierig ist.
«Cargo sous terrain» bringt den Güterverkehr weg von der Strasse, unter anderem auch weg von der A1 im Gäu. Mit welchen Zahlen rechnen Sie hier?
Mit der ersten Etappe zwischen dem Gäu und Zürich soll der Schwerverkehr auf der Autobahn um 20 bis 30 Prozent reduziert werden. Im Endausbau rechnen wir mit 40 Prozent. Anderseits prognostiziert man bis 2040 eine Zunahme des Gütervekehrs um 37 Prozent (Verkehrsperspektive des Bundesamtes für Raumentwicklung). Das heisst, wir haben dann, mit CST, in etwa die Situation von heute, die bekanntlich unbefriedigend ist. Zudem: Es wird weiterhin Güter geben, die wir nicht transportieren können. Wir machen die Bahn nicht nutzlos, und die Strasse gehört auch künftig nicht allein dem Personenverkehr. Wir verstehen uns als Ergänzung beziehungsweise als Alternative.
Projektleiter mit vielseitiger Erfahrung
Seit einem Jahr arbeitet der 53-jährige Klaus Juch aus Starrkirch-Wil als Projektleiter Construction Planning für Cargo sous terrain. Nach einer Lehre als Tiefbauzeichner absolvierte der gebürtige Hägendörfer an der Fachhochschule Muttenz die Ausbildung zum Bauingenieur.
In seiner beruflichen Laufbahn arbeitete Juch unter anderem in Ingenieurbüros, war während acht Jahren Geschäftsführer der Fritschi Bauelemente AG in Gunzgen, kümmerte sich bei zwei Arbeitgebern um die Liegenschaften und beschäftigte sich während zehn Jahren mit Tunnelbau. Im operativen Büro in Olten ist er gegenwärtig der Einzige, der sich mit baulichen Aspekten befasst. Daneben gibt es Logistiker, Supply Chain Manager, Maschinenbauer, Spezialisten für Operation and Markets, Management Services sowie einen Praktikanten