Gottesdienst geht auch digital / Anzeiger Thal Gäu Olten
Pfarrer von Niederhäusern hat die Kirche in Balsthal technisch aufgerüstet, um die Gläubigen auf eine neue Art zu erreichen.

Gottesdienst geht auch digital

Kirchgemeinden in der Region sammeln erste Erfahrungen mit Live-Übertragungen

Die Corona-Einschränkungen wirken sich auch auf die Gottesdienste aus, an denen derzeit nur maximal 30 Personen zusammenkommen können. Um mehr Personen teilnehmen zu lassen, setzen verschiedene Kirchgemeinden auf Live-Streamings ins Internet. Ein Erfahrungsbericht aus der reformierten Gemeinde Thal und der Katholischen Kirche Olten.

«Herr Pfarrer, können Sie da nicht etwas machen?» – mit dieser Frage gingen Konfirmanden aus Balsthal Ende März auf den reformierten Pfarrer Jürg von Niederhäusern zu. Zu dieser Zeit waren noch 150 Gottesdienstbesucher erlaubt. Zuerst kam ihm die Idee, die Besucher aufzuteilen auf die Kirche und auf das Kirchgemeindehaus und den Gottesdienst jeweils in den anderen Raum zu übertragen. Kurz darauf kam dann der Lockdown. Von Niederhäusern liess sich aber nicht entmutigen. «Wir haben schliesslich eine Botschaft! Christus sagt: ‹Ich lebe und ihr sollt auch leben.› Und diese Botschaft soll weiter verkündet werden. Trotz oder wegen Corona erst recht!»

So suchte der Pfarrer aus Balsthal nach Lösungen, machte sich schlau, wie es Gemeinden ennet der Kantonsgrenze machten und stiess so auf die Idee des Livestreams. Und ganz wichtig: Er konnte auch den Kirchgemeinderat und seinen Amtsbruder Burkhard Müller für sein Projekt gewinnen. «Es war toll, dass sie Vertrauen in diese aus Kirchensicht nicht so geläufige Idee hatten und mich unterstützten.»

Viel Unterstützung erhalten
Innert sehr kurzer Zeit fand er durch Gespräche und Kontakte eine zahlbare Lösung und die technische Unterstützung, da es in der Kirche vorher noch kein Wifi gab. «Ansässige Handwerker haben da gleich tüchtig mit angepackt. Das war ganz toll!» Am Sonntag, 29. März, war zwar keine Konfirmation möglich, dafür fand in der Gemeinde der erste Livestream- Gottesdienst statt.

Wenn er an diese erste Erfahrung denkt, muss der Pfarrer amüsiert lachen. «Zu Beginn lief technisch nicht ganz alles optimal, aber trotzdem hatten die Leute Freude daran.» Obwohl er immer noch «ganz rudimentär», wie er es selbst bezeichnet, mit einer einfachen Kamera und einem Kabel an der Tonanlage ins Netz überträgt, blieb das Interesse vor allem während des Lockdowns hoch. Die Zahl der Online-Zuschauer bewegte sich laut von Niederhäusern im niedrigen dreistelligen Bereich. Die höchste Zuschauerzahl lag mal bei knapp 200.

Prägnantere Gottesdienste
Mit den Lockerungen nahm aber auch die Zuschauerzahl ab. Im Durchschnitt sind es jetzt noch 50 bis 60 Zuschauer. Erst seit den letzten Verschärfungen nimmt die Zahl wieder zu, so der Pfarrer. «Vorläufig werden wir weitermachen.» Weil so auch Menschen erreicht werden, die sonst eher nicht teilnehmen können. Zum Beispiel Leute aus Risikogruppen oder solche, die weiter weg wohnen.

Dafür nimmt der Pfarrer die intensiven Vorbereitungsarbeiten in Kauf und ist dankbar für den Kameramann Daniel Augstburger, der jeweils den Apparat bedient. Denn neben der Technik muss der Pfarrer seine Gottesdienste im neuen Format viel prägnanter aufbereiten. «Auch das ist eine neue Herausforderung für mich.» Eine, die sich aber vermutlich auch positiv auf die Gottesdienste der Zukunft auswirken könnte, im Hinblick auf die Generation der Digital Natives. Auch Antonia Hasler, Leiterin des katholischen Pastoralraums Olten, sieht Potenzial in der Digitalisierung. Für einen der 30 Plätze vor Ort müssen sich die Besucher im Voraus online anmelden. Die anderen können den Gottesdienst ganz bequem von Zuhause am Bildschirm mitverfolgen und mitfeiern.

Gottesdienst geht auch digital / Anzeiger Thal Gäu Olten
Das Live-Streaming verlangt bei der Predigt mehr Prägnanz. Eine Herausforderung.


Angebot schrittweise ausgebaut
Seit der zweiten Welle überträgt die katholische Kirche jeweils einen ihrer Samstags- und Sonntags-Gottesdienste aus Trimbach und Olten ins Internet. «Vorher in der ersten Welle haben wir unsere Prioritäten nicht auf die Übertragung klassischer Gottesdienste gelegt, die zahlreich im Internet zugänglich sind, sondern auf alternative Formate.» Gelegentliche Übertragungen über Facebook wie zum Beispiel die alternative Osternacht im Lockdown oder jüngst das Fauré Requiem an Allerheiligen mit Solisten haben Hasler und ihr Team aber dann bestärkt, auch den ganzen Gottesdienst online zu streamen.

Inzwischen diskutieren sie die Präsenz im Internet und auf Social Media sogar als zukünftigen und festen Bestandteil des pastoralen Wirkens. «Dies ersetzt zwar niemals den Touch der Offline-Interaktion, wenn man an die Begegnung von Angesicht zu Angesicht beispielsweise beim Feiern und in der Seelsorge denkt.» Dennoch liegt eine grosse Chance in der Digitalisierung. Followers werden über geografische und altersmässige Grenzen hinweg erreicht. «Die Kirchen müssen aber gerade über die digitalen Kanäle dialogfähiger werden, in denen der seelische, geistige und soziale Nutzen eine Rolle spielen und flache Hierarchien vorwiegen», sagt Hasler.


Aus der Not eine Tugend gemacht
In der kommenden Weihnachtszeit soll es noch mehr Formate und Livestreams geben. Denn das Feedback sei bis jetzt positiv. Auch die ältere Generation organisiere und arrangiere sich langsam mit dem Internet. Zudem würden sich Gläubige, die aus umliegenden Regionen in Olten zum Gottesdienst kamen, jetzt online zuschalten. «Wir werden deshalb die Live-Streams sicherlich auch in Zukunft weiter einsetzen.»

Die Umstellung benötigt klar zusätzliche Organisation und Ressourcen für die technische Umsetzung. Die neue Herausforderung bringt aber auch neuen Schwung. «Wir machten aus der Not eine Tugend», sagt Hasler, die zusammen mit ihrem Team Erfahrungen sammelt. Derzeit arbeiten sie vorwiegend mit Live-Stream. In Zukunft sei das Ziel, auch zeitversetzt Videos zeigen zu können – basierend auf einer richtigen Digitalstrategie.

Text & Bild: DON