Mit spitzer Feder

Meinrad Kofmehl

Sehr geehrter Kundendienst,
Vor 352 Tagen sah ich mich in Ermangelung echter Alternativen dazu genötigt, das Jahr 2020 von einem Monopolisten zu erwerben. Schon kurz nach Inbetriebnahme der ersten Wochen musste ich grobe Mängel feststellen. Deshalb beschwere ich mich vor Ablauf der Garantiezeit in aller Form über dieses schadhafte Produkt. Die vergangenen 51 Wochen weisen in weiten Teilen eindeutige Konstruktionsfehler auf. Mit meiner Unzufriedenheit bin ich längst nicht allein. Weltweit wurde dieselbe überteuerte, qualitativ minderwertige Ware ausgeliefert. Schade – von einem Anbieter, der sich mit über 2000 Jahren Erfahrung brüstet, dürfte man mehr erwarten. Eigentlich ist diese Schlamperei ein Fall für den «Kassensturz».

2020 führte bei vielen Menschen zu intellektueller Dysfunktion oder Vereinsamung. So öffnete meine Nachbarin jüngst sogar den Zeugen Jehovas die Tür und bat sie herein, bloss damit sie sich wieder einmal mit jemandem unterhalten konnte. Und ihr Gatte belegt aktuell einen Englisch-Fernkurs, um künftig in der Lage zu sein, mit lästigen Telefonverkäufern Konversation auf einfachem Niveau zu betreiben.

Mein Fazit liegt auf der Hand: 2020 ist eindeutig ein Montagsjahr. Mit Berufung auf Artikel 210, Absatz 1, des Obligationenrechts fordere ich Sie zur Rücknahme des unbrauchbaren Ramsches per 31. Dezember auf und erwarte die kostenlose Zustellung eines fabrikneuen, fehlerfreien Jahres per 1. Januar 2021. Danke für Ihre Kenntnisnahme und beste Grüsse.

Der Autor wünscht allen Leserinnen und Lesern schon jetzt ein tadelloses neues Jahr.