Steinmalerin Esther Hertig / Anzeiger Thal Gäu Olten
Beim Bemalen der Steine kann Esther Hertig den Kopf abschalten und sich ganz der Tätigkeit hingeben.

Steine, die Freude schenken

Die Kappelerin Esther Hertig bemalt Steine, um sie auf Wanderschaft zu schicken

Esther Hertig versteckt als Steinemalerin wie ein Wichtel unauffällig selbstbemalte Steine in der Natur. Wer auf einen solchen Stein trifft, darf ihn behalten oder irgendwo anders aussetzen. In der Facebook-Gruppe «CH Rocks Original» kann man als Finderin oder Finder mit einem Post Dankeschön sagen.

Vielleicht hat man bei einem Spaziergang schon mal einen solchen Stein gefunden, der mit einem farbigen Sujet oder einem guten Spruch versehen ist, wie zum Beispiel «Kopf hoch, sonst kannst du die Sterne nicht sehen». Vielleicht waren das genau die Worte, die der Finder oder die Finderin gerade brauchte, solche, die vielleicht sogar einen Funken Trost gespendet haben. Das ist auch das Ziel vieler Malbegeisterter, welche die Steine mit viel Liebe bemalen und in Wäldern, Pärken und Städten verstecken.

Eine dieser Steinmalerinnen ist die bald 70-jährige Esther Hertig aus Kappel. «Fragen Sie mich nicht, wie viele Steine ich schon bemalt und ausgesetzt habe», sagt sie gleich. Seit sie im Herbst 2020 damit angefangen hat, habe sie bestimmt schon einige hundert Steine verschönert und sie an den unauffälligsten Plätzen versteckt. Wo, entscheidet sie jeweils spontan und aus dem Bauch heraus, mit dem Ziel, dass diese im richtigen Moment am richtigen Ort sein werden. «Die Steine sollen der Finderin oder dem Finder Freude und Kraft schenken.»

Ob das in jedem Fall passiert, weiss sie natürlich nicht. Nur einmal wollte es bis jetzt der Zufall, dass Hertig genau in dem Moment an einer Mutter mit ihrem Kind vorbeigelaufen ist, als diese einen ihrer Steine gefunden haben. «Sie hatten eine Riesenfreude. Da geht einem das Herz auf», sagt die Steinmalerin, die sich immer noch darüber freut, als wäre es soeben passiert. Solche Erfahrungen stärken natürlich ihre Motivation, weiterzumachen.

Beim Malen Gefühle verarbeiten
Angefangen, Steine zu bemalen und auszusetzen, hat Hertig im Lockdown. Vom schweiz- oder gar weltweiten Trend hatte sie zuvor nur am Rande mitbekommen und fand ihn schon längere Zeit sehr sympathisch. «Als ich zuhause in Quarantäne sass, fing ich dann selber damit an», sagt die passionierte Bastlerin und Hobby-Malerin, die mittlerweile sogar in ihren Ausland-Ferien bemalte Steine aussetzt.

Wenn sie die Steine mit Acrylfarben und -stiften mit den unterschiedlichsten Sujets verziert, vertieft sie sich ganz in ihr Hobby. «Ich kann stundenlang an einem Stein arbeiten», sagt sie. Das macht sie aber auch nur, wenn sie den Drang danach verspürt. Dies kann phasenweise variieren: von fast täglich bis zu wochenlang nichts. «Manchmal verarbeite ich mit dem Bemalen der Steine irgendwelche Gefühle, ein anderes Mal habe ich einfach Lust zu malen.» In den Bildern erkennt sie sich dann jeweils wieder.


Jeder Stein ist einzigartig
«Dunkle Farben benutze ich eher bei schweren Emotionen.» Dafür sind es ein anderes Mal helle Sujets wie farbige Blumen. Wie der Stein am Schluss aussieht, hängt also von ihrer Stimmung ab. Deshalb sind ihre Werke auch so vielfältig und jeder bemalte Stein ist einzigartig. «Zwei Steine genau gleich bemalen kann ich nicht, da ich frei aus dem Bauch male. Es wird auch nichts kopiert oder durchgepaust », sagt sie.

«So wie das Malen mir hilft, hoffe ich, dass sich auch die Finderinnen und Finder von den Steinen angesprochen fühlen und sie als positiven Input aufnehmen.» Trifft man mal auf einen Stein, kann man ihn behalten oder irgendwo anders aussetzen. Und im besten Fall macht man gleich ein Foto davon und postet es in die Facebook-Gruppe «CH Rocks Original». So können die Künstlerinnen und Künstler, welche auf der Rückseite des Steins ihre Initialen und ihre Postleitzahl vermerkt haben, die Wanderung der Steine mitverfolgen beziehungsweise sehen, wo ihre Leidenschaft die Welt etwas fröhlicher und bunter gemacht hat.

Steinmalerin Esther Hertig / Anzeiger Thal Gäu Olten
Esther Hertig ist inzwischen gut ausgerüstet: von den Acrylfarben bis zu den Feinstiften.


Wiedersehen mit Steinen
Auf Facebook finden sich verschiedene Gruppen, welche das Bemalen und anschliessende Aussetzen der Steine zelebrieren. Viele organisieren sich in kleineren, lokalen Gruppen, andere schliessen sich der schweizweit grössten Gruppe auf Facebook an: «CH Rocks Original». Diese zählt 74’580 Mitglieder (Stand 10.5.21). In der Gruppe werden täglich durchschnittlich 1’370 Beiträge publiziert.

Text: DON & Bilder: ZVG