Als ich mich vor zwanzig Jahren für eine Doktorandenstelle bewarb, fragte mich mein späterer Doktorvater beim Bewerbungsgespräch, weshalb ich eine Doktorarbeit schreiben wolle. Ich antwortete, dass ich halt einfach an den Rand der Welt des Wissens stehen möchte, um in die Welt des Unwissens zu blicken. Ich sei nämlich zum Schluss gekommen, dass letztere wesentlich grösser sein müsse als erstere. Trotz – oder eben vielleicht wegen – des Eingeständnisses der eigenen Unwissenheit bekam ich die Stelle.
Nun befinden wir uns seit bald zwei Jahren in einer Pandemie. Da war plötzlich ein Virus, über das wir nichts wussten. Und nach ein paar Monaten kamen Impfstoffe auf, deren Wirkmechanismus die Wenigsten von uns begreifen. Das Resultat: eine enttäuschend tiefe Impfquote. Man traut der Sache nicht.
Ich gestehe Ihnen: Ich weiss absolut nicht, was in den ganzen Impfungen gegen Kinderlähmung, Keuchhusten, Starrkrampf et cetera steckte, die ich mir mein Leben lang spritzen liess. Ich weiss auch nicht, was in meinen geliebten Fertig-Pouletcurry-Strudeln steckt. Ich habe keine Ahnung, welche Langzeitfolgen mein Handykonsum haben wird. Ich weiss nicht, wie meine Kopfhaut auf die Hektoliter von Sonnencrème reagiert, die ich zum Schutz meiner Fleischkappe auftragen muss.
Die Welt des Unwissens ist riesig. In Zeiten von Google und Wikipedia haben wir aber scheinbar verlernt, das zu akzeptieren. Alles braucht eine Erklärung – und zwar eine, die wir auch zu begreifen imstande sind. Im Moment wärs gut, dieses «Wissen» zu ersetzen durch Unwissen und Vertrauen.
Der Autor (geimpft) kann sich noch vage daran erinnern, wie ihm im Studium erklärt wurde, was mRNA ist. Das wärs dann aber auch schon.