Vintage Store «Hinterhof» Olten / Anzeiger Thal Gäu Olten
Die drei Köpfe hinter dem «Hinterhof» (von links): Regina Graber, Leon Aeschbacher und Yannic Aeschbacher.

Secondhand aus purer Überzeugung

Der Vintage Store «Hinterhof» in Olten will viel mehr als nur Gebrauchtkleidung und Accessoires verkaufen

Seit rund drei Wochen hat Olten mit dem «Hinterhof» einen Secondhandshop, der neben gebrauchter Kleidung noch viel Wertvolleres anbietet: ganzheitliche Inputs zu einem nachhaltigeren Lebensstil.

Wer den Vintage Store «Hinterhof» in Olten betritt, merkt ziemlich schnell, dass es sich nicht um einen Secondhandshop handelt, bei dem es vor allem darum geht, den Raum mit so viel Ware wie möglich zu füllen. Hier, an der Kirchgasse 25, hat alles seinen Platz. Es besteht eine unsichtbare Ordnung, die das Gefühl gibt, ein gemütliches Wohnzimmer zu betreten. Die Gastgeber sind dabei die zwei Brüder Leon (26) und Yannic Aeschbacher (28) aus Olten und ihre Mutter Regina Graber, die vor drei Wochen zusammen den Laden eröffnet haben.

Ein Laden, der sie auch weit nach den Öffnungszeiten beschäftigt. Jedes Kleidungsstück, das Leute dem «Hinterhof» spenden, wird genau begutachtet, quasi zwei Mal mit Liebe umarmt. «Vieles waschen wir selber nochmal, oder verhelfen mit dem Fusselentferner zu neuem Glanz, nähen Knöpfe an oder flicken Löcher», erklärt Yannic Aeschbacher. Dies alles braucht Zeit, genauso wie das Recyclen von alten Flyern, um daraus die Preisetiketten zu stanzen. Diese Tätigkeiten gehen die beiden Jungs, welche zusammen in einer WG wohnen, wenn nötig auch an Feierabend an. «Bis zwei Uhr morgens Kleider für den Laden waschen oder Sachen flicken – das kommt bei uns immer wieder mal vor», sagt der 28-Jährige, der Teilzeit als Betreuer in einem Kinderheim arbeitet.

Stilvoll mit Mobiliar aus zweiter Hand
Mit sauberer, geordneter und qualitativ gut erhaltener Kleidung wollen sie auch Leute erreichen, welche beim Wort Secondhand ein schmuddeliges Bild vor Augen haben und dabei die Nase rümpfen. «Wir möchten zeigen, dass Secondhand auch anders geht», so Yannic Aeschbacher. Wichtig dabei ist ihnen auch zu zeigen, dass ein ganzer Laden mit Mobiliar ausschliesslich aus zweiter Hand stilvoll zu einem Ganzen zusammengefügt werden kann und auch damit wieder der Kreislauf der Dinge berücksichtigt wird. Aufgewachsen in einer Familie, in der Kaputtes stets geflickt wurde, oft Secondhandkleidung getragen wurde und man mehrheitlich – wenn nicht ausschliesslich – mit Zug und dem Velo unterwegs war, lernten die beiden Brüder schon früh, mit Ressourcen jeglicher Art verantwortungsvoll und nachhaltig umzugehen.

Dies ist auch das, was den 26-jährigen Leon Aeschbacher erfüllt. Das hat er spätestens gemerkt, als er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in seinem gelernten Beruf als Konstrukteur und Monteur arbeiten konnte. Im Sommer startete er eine Umschulung zum Umweltberater. Der schon länger gehegte Traum seiner Mutter, einen Secondhandladen zu betreiben, fand grosse Resonanz innerhalb der Familie; Zeitpunkt und Lebensphasen passten für alle zusammen und viele Ideen drängten zu einer Umsetzung. Ein Ladenlokal wurde gefunden und der «Hinterhof Olten» geboren.

Vintage Store «Hinterhof» Olten / Anzeiger Thal Gäu Olten
Blick in das Untergeschoss des Secondhandshops, das sich auf drei Ebenen verteilt.


Regalmiete für Kunsthandwerk
Zum ganzheitlichen Konzept gehört nicht nur der Verkauf von Secondhand- Kleidung und Accessoires, sondern unter anderem auch die Regalmiete für Kunsthandwerk und regionale Produkte sowie ein Reparaturservice und eine Umweltberatung. Letztere ist aktuell noch sehr niederschwellig angedacht. Der Umweltberater in Ausbildung hilft bei Naturschutzthemen weiter oder berät zum Thema Recycling. «Viele wissen zum Beispiel nicht, dass es eine Plastik-Recyclingstelle gibt und dass man den getrennten Abfall auch vom Velolieferdienst Collectors abholen lassen kann», sagt Leon Aeschbacher.

Beim Repairdienst legt er gleich selbst Hand an. Bei technischen Problemen hilft ihm dabei seine Konstrukteur-Erfahrung. Aber auch bei zerrissenen Hosen und fehlenden Knöpfen setzt er inzwischen gekonnt die Nähmaschine ein, wie er erzählt. Mit ihr hat er auch schon eigene Nähprojekte durchgeführt. Aus den vielen Abstimmungsfahnen hat er zum Beispiel eine ganze Serie an Einkaufstaschen, Beuteln und Velosattelhüllen genäht. «So kann der stabile Stoff wiederverwendet werden und man kann weiterhin Haltung zeigen.»

Je nach dem, was ihm in die Hände gerät, überlegt er, was man damit machen könnte. Manchmal ergeben sich Ideen auch erst mit der Zeit. «Socken zum Beispiel, verbrauchen sich meist an der Ferse und vorne bei den Zehen. Der Stoffteil um das Fussgelenk aber bleibt meistens intakt, vor allem bei Sportsocken.» So nähte er kurzerhand aus vielen kaputten Socken eine Tasche. Für die Trägerriemen benutzte er das Gummiband von kaputten Unterhosen. Stolz präsentiert er das Ergebnis, das nun im Laden zum Verkauf steht.

Selbstgemachtes gibt es im «Hinterhof» auch in einem professionellen Setting. Kleine Labels können im Laden ein Regal mieten und ihre Produkte präsentieren. Von Lampen bis zu Schals – «es ist alles möglich», sagt Regina Graber, die selber auch Kunsthandwerk herstellt. Weiter sind im Laden in Zusammenarbeit mit anderen Startups auch kreative Workshops geplant. Im Dezember zum Beispiel mit der Zürcher Firma «The Green Wolf», bei dem man selber einen Micro Garden erschaffen kann.

«Bei uns finden alle etwas Spannendes für sich, etwas, was nicht jeder hat oder online schnell bestellt werden kann», sagt Yannic Aeschbacher. Tatsächlich besuchen jegliche Altersgruppen den Laden. Vom 9-Jährigen, über Teenies bis zur Seniorin. «Das finden wir wunderbar. Und es ist uns wichtig, dass wir für jedes Budget etwas anbieten können.» Nicht alle hätten die gleichen Möglichkeiten, dessen sind sich die drei bewusst. Deshalb haben sie auch keine Hemmungen, Bedürftigen in der Not zu helfen. «Wir haben auch schon Winterjacken verschenkt», sagt der ältere Bruder. Schliesslich gehe es bei ihrem Projekt darum, einen positiven Input, eine Inspiration für eine nachhaltige Denkweise, zu geben: Sorge tragen – zu allem und allen.

Öffnungszeiten: Di-Fr: 11-13 Uhr; 14- 18.30 Uhr. Sa: 10-16 Uhr.

hinterhofolten.ch

Text & Bilder: DON