casa fidelio / Anzeiger Thal Gäu Olten
In der «casa fidelio» wohnen die Klienten in einer ersten Phase in Gruppen.

Hier bekommt jeder eine zweite Chance

In der «casa fidelio» werden Suchtbetroffene auf ihrem Weg in ein neues und selbstbestimmtes Leben begleitet

Die sozial-therapeutische Institution «casa fidelio» in Niederbuchsiten unterstützt suchtkranke, erwachsene Männer bei der Wiedereingliederung. Sie brauchen umfassende Betreuung in allen Bereichen des Lebens. Oft ist durch die Sucht vieles zerstört worden, das Schritt für Schritt wieder aufgebaut werden muss.

Die Bewohner der «casa fidelio» leiden an Drogen-, Alkohol-, Medikamenten-, oder Spielsucht. Sie haben zuvor einen Entzug durchgemacht und suchen Hilfe, um ihr Leben zu meistern. Die Institution begleitet sie auf ihrem Weg in ein selbständiges, erfülltes Dasein ohne Sucht. Dabei müssen alle Aspekte des Lebens berücksichtigt werden; selbständiges Wohnen, finanzielle und administrative Unabhängigkeit durch eine geregelte Arbeit, sinnstiftende Freizeitbeschäftigung und ein gesundes soziales Umfeld. Es braucht Strategien, um Rückfällen vorzubeugen und neue Verhaltensmuster, um Beziehungen neu aufzubauen.

Wohnen in der «casa fidelio»
Die Bewohner der «casa fidelio» leben in Wohngruppen. Jeder Klient bewohnt dabei ein eigenes Zimmer und bringt sich in die Wohngemeinschaft ein, so gut er kann. Dabei geht es um Mitarbeit im Haushalt, aber auch um die gemeinsame Gestaltung der Freizeit und das Austragen von Konflikten. Gegen Ende der Aufenthaltszeit werden die Männer auf den Alltag ausserhalb der Institution vorbereitet, indem sie eine eigene Wohnung beziehen und den Haushalt selbständig führen. Bis zu Beginn dieses Jahres bezogen die Männer dafür Wohnstudios innerhalb der «casa fidelio». Um diese letzte Phase der Vorbereitung auf den Austritt realitätsnaher zu gestalten, wurde das Angebot erweitert. Neu stehen in Oberbuchsiten fünf Wohnungen für «Externes Wohnen» zur Verfügung. Dort leben die Männer selbständig und eigenverantwortlich, werden aber betreut und beraten durch den Sozialpädagogen Yannick Däppen.

Damit die Integration in die Gesellschaft langfristig funktionieren kann, brauchen die Männer ein intaktes Umfeld. Daher unterstützen die Sozialpädagogen die betroffenen Familien dabei, ihre Altlasten aufzuarbeiten und ihre Beziehungen wieder zu kitten. Ist das nicht möglich, versuchen sie, neue soziale Kontakte zu knüpfen, durch Hobbies oder Vereine.

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Betreut die Klienten: Yannick Däppen


Weiterbildung für neue Perspektiven
Die betreuten Männer haben häufig keine abgeschlossene Ausbildung, geschweige denn einen Job. Die «casa fidelio» bietet daher realistische Arbeitssituationen an, in denen jeder gefordert und gefördert wird und die Erfolgserlebnisse ermöglichen. So erlernen die Klienten den Umgang mit Kontinuität, Qualitätsansprüchen und Pünktlichkeit. Sie erarbeiten durch Schulungen und Gespräche die Fähigkeit, alltägliche private und berufliche Aufgaben zu meistern sowie neue persönliche und berufliche Perspektiven zu entwickeln. Das Erkennen der persönlichen Fortschritte und der Blick in eine erstrebenswerte Zukunft fördern das Selbstbewusstsein. Nach der Eintrittsphase arbeiten die Bewohner an internen Projekten wie der Sanierung der Wohnhäuser, der Pflege der Aussenanlage, Hausarbeiten oder administrativen Aufgaben im Sekretariat. Sind sie genug gefestigt, folgt die Integrationsphase. Die Klienten absolvieren Praktika oder Schnupperwochen in Betrieben in der Region. Sie besuchen externe Kurse oder arbeiten an Aussenaufträgen mit.

Engagement bei Gäuer Spielleuten
Ein solcher Aussenauftrag wurde der «casa fidelio» beispielsweise vom Verein «Gäuer Spielleute» erteilt. Für das Freilicht-Theaterprojekt «Frölein Dokter Felchlin – 50 Jahre Frauenstimmrecht», stellte letztes Jahr ein Team von acht freiwilligen Klienten und dem Arbeitsagogen Fabian Luginbühl die Lärmschutzwände und die gedeckte Zuschauertribüne auf. Aufträge wie dieser wirken motivierend, weil durch die vereinten Kräfte des Teams in kurzer Zeit ein ganzes Gelände wie verwandelt wirkt. Hingegen können der zeitliche Druck und die Zusammenarbeit mit Leuten von aussen die Klienten überfordern. Es braucht daher einen offenen Umgang und eine enge Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten. Gemeinsam wird abgewogen, wann der Einzelne für welchen Schritt bereit ist. Auftraggeber sollten nach Möglichkeit zeitlich etwas flexibel sein, damit der Therapie Raum gegeben werden kann.

Irma Stöckli, Projektleiterin der Gäuer Spielleute, erwähnt die gute und zuverlässige Zusammenarbeit mit der «casa fidelio». Das Team habe solide Arbeit geleistet, obwohl diese nicht alltäglich war.

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Ein Weg zur Integration: Bewohner der «casa fidelio» unterstützen den Aufbau für ein Theaterprojekt der Gäuer Spielleute.


Kein allgemeingültiges Rezept
Mit Hilfe der Jobcoaches finden etwa 80 Prozent der Betreuten eine Anstellung. Auch nach dem Austritt werden die Männer noch eine Zeit lang durch das Team der «casa fidelio» begleitet und unterstützt. In Notfällen können alle ehemaligen Bewohner auf rasche und unkomplizierte Hilfe zählen. Das Therapieangebot ist auf die individuellen Bedürfnisse der Klienten und ihre Probleme zugeschnitten, die sehr unterschiedlich sind. Manche haben Schulden angesammelt, andere sind straffällig geworden, wieder andere haben durch die Sucht körperliche oder geistige Folgen zu tragen. Daher gibt es kein allgemein gültiges Rezept. Was aber jeder von ihnen braucht, ist eine zweite Chance. Die «casa fidelio» versucht, ihnen diese zu ermöglichen.

Wer die Institution unterstützen will, kann Anfragen für Arbeitseinsätze wohlwollend behandeln, mit einer Spende helfen oder sie engagieren, wie die Gäuer Spielleute dies 2021 getan haben.

Infos unter: casafidelio.ch