«Jetzt haben wir eine Chance. Wenn wir diese nicht nutzen, dann ist sie für Jahrzehnte weg», sagt Werner Hunziker aus Oensingen. Sein Ziel: Lärmschutzwände, die im Rahmen des Sechs-Spur-Ausbaus der A1 erneuert oder neu gebaut werden, sollen gleichzeitig mit Solarpanels versehen werden.
Das Haus steht auf halber Höhe des Hangs, ziemlich zentral in jenem Quartier, in dem man sich vom Autobahnlärm besonders betroffen fühlt. Draussen im Garten grünt und blüht es prächtig. Durch die wenigen Lücken sieht man den Verkehr auf der Kestenholzerstrasse sowie die Oberkante der höchsten Lastwagen auf der A1. «Eigentlich wohnen wir an einem wunderbaren Ort», sagt Werner Hunziker. «Doch je nach Windrichtung haben wir eine massive Beeinträchtigung der Wohnqualität.» Dann sei nichts mit draussen sitzen oder bei offenem Fenster schlafen – dann zeige sich, dass die aktuellen, nach Gesetz vorgegebenen Lärmschutzmassnahmen schlicht nicht genügen.
Hunziker, in den 1990er-Jahren Chefredaktor der Solothurner Zeitung, ist weder ein Politstänkerer noch ein Pensionierter, dem es vor allem um das eigene Wohl geht. Dafür war und ist der heute 75-Jährige zu lang und zu stark in Funktionen und Ämtern im Dienste der Allgemeinheit engagiert. Ob einst als Gemeinderat und Vizepräsident des Einwohnergemeinderates oder im Kirchgemeinderat, im Verwaltungsrat der Genossenschaft für Altersbetreuung und Pflege Gäu (GAG) oder seit 34 Jahren als Präsident des Vereins für Alterswohnen Oensingen: Hunziker setzt sich für Anliegen der Gesellschaft ein, seit bald zehn Jahren nun auch für den Lärmschutz.
Allseitige Unterstützung
Erstmals 2013 hatte er Unterschriften für höhere Lärmschutzwände gesammelt, wonach die Gemeinde auch eine Eingabe beim Kanton gemacht habe. Doch das Anliegen sei versandet. Nun, im Projekt des Sechs-Spur-Ausbaus, habe er eine neue Chance für zusätzlichen Lärmschutz gesehen. «Den Bedarf, die A1 auszubauen, bestreite ich überhaupt nicht», präzisiert er. Ihm gehe es darum, dass man bei den Massnahmen über das per Gesetz und Verodnung gegebene Mass hinaus gehe. «Deshalb habe ich 2018 in Oensingen ein entsprechendes Postulat eingereicht, um das Wohnen am Hang attraktiver zu machen.» Denn, so Hunziker weiter, sei es ja auch sinnvoller, eine Hanglage für Wohnbauten zu nutzen als die landwirtschaftlich wertvollere Ebene. Das einstimmige Fazit an der Gemeindeversammlung 2019 lautete, dass der Gemeinderat das Anliegen «mit Rat und Tat» unterstützen werde, hingegen könne man dafür keine finanziellen Mittel einsetzen.
Ortsbürger als Investoren
Hunziker gab hinsichtlich finanziellem Engagement nicht auf und wendete sich an die Ortsbürgergemeinde. Dort präsentierte er seine Idee, dass eine zusätzliche Erhöhung der Lärmschutzwände mittels Solarpanels ausgeführt werden und die Ortsbürgergemeinde als Investor auftreten könnte. «In einem sogenannten Public-Private-Partnership-Modell», wie Hunziker erläutert. «Das ASTRA als zuständiges Bundesamt für die Nationalstrassen und Bauherr errichtet die Lärmschutzwände so, dass andere, basierend auf einem Vertrag, darauf Solaranlagen einrichten können.» Die Oensinger Ortsbürger, ohnehin bekannt für innovatives Denken, nahmen das Anliegen sehr positiv auf und bekräftigten mittels Schreiben an den Regierungsrat die Absicht, sich in einem derartigen Projekt als Investor zu beteiligen. «Ich bin fest davon überzeugt, dass sich im Gäu weitere Investoren finden lassen. Denn es geht letztlich nicht allein um Oensingen, dasselbe kann man auch in anderen Gemeinden gleich umsetzen», betont Hunziker. Dass dies auch technisch machbar ist, hat er bei einer spezialisierten Firma im Kanton abgeklärt und als Antwort «absolut kein Problem» erhalten.
Ein Kredit und ein starkes Zeichen
Doch was kann der Staat und insbesondere das Kantonsparlament dazu beitragen? Seit Jahren ringen die Regierung und der «Runde Tisch» mit Pro Natura, VCS, WWF, dem Bauernverband SOBV und den Gäuer Gemeinden um Lösungen gegen die Lärmimmissionen der A1. Nachdem letztlich sowohl eine Untertunnelung wie auch eine Einhausung aus Kostengründen gestrichen wurden, enthält die regierungsrätliche Botschaft an den Kantonsrat lediglich ein konkretes Element. Auf einer Länge von 830 Metern soll an der Ausfahrt in Richtung Oensingen/Klus eine Lärmschutzwand errichtet werden. Der dazu erforderliche Verpflichtungskredit beträgt 9,4 Millionen Franken, wovon der Kanton 3,8 Millionen Franken zu tragen hat.
Bereits im Projekt des ASTRA enthalten ist nebst der Instandstellung der Lärmschutzwand bei der Überführung Kestenholzerstrasse eine Verlängerung in östlicher Richtung sowie eine generelle Erhöhung um 50 Zentimeter. «Ich hoffe, dass das Kantonsparlament diese Botschaft und damit den Kredit verabschiedet», sagt Hunziker. Sowohl die Umwelt-, Bau- und Wirtschaftskommission wie auch die Finanzkommission haben die Zustimmung empfohlen.
Beim Thema Solarpanels hingegen kann der Kanton Solothurn höchstens ein starkes Zeichen setzen und Hunzikers Forderung mit Nachdruck an den Bund weiterleiten. So steht in der regierungsrätlichen Botschaft zuhanden des Kantonsrates: «Hingegen fordert der Regierungsrat vom Bundesamt für Strassen, die vom Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation verfolgte Absicht, die Nationalstrassen – wo möglich – mit Solarpanels zu überdecken, bereits bei den anstehenden Ausbauarbeiten umzusetzen.» Und konkret zu Oensingen: «Dieselbe akustische Wirkung vorausgesetzt, ist es durchaus denkbar, das Bauwerk mit Solarpanels zu bestücken.» Ferner wird als generelles Anliegen des ‹Runden Tisches› aufgeführt, «dass die Lärmschutzwände mit Solarpanels bestückt werden und ein optimierter lärmmindernder Belag zum Einbau kommt.»
Dass Gemeindepräsident Fabian Gloor an diesem Vormittag der Kantonsratssession das Wort ergreifen und vom ASTRA eine für Solarpanels erforderliche Dimensionierung der Lärmschutzwände verlangen wird, versteht sich von selbst. Zumal er wie auch Bürgerratspräsident Remo Liechti voll hinter Hunzikers Anliegen steht. «Beide haben bezüglich Unterstützung ihr Wort gehalten», sagt Hunziker dankend an die Adresse der beiden höchsten Gemeindefunktionäre. Nun liegt es am Kantonsparlament.