Die Wohngruppen in der Schärenmatte sind Teil der vielfältigen Dienstleistungen der Stiftung Arkadis

Ein halbes Jahrhundert im Dienste der Inklusion

Die Oltner Stiftung Arkadis vereinfacht zahlreichen Menschen mit Behinderung das Leben – heuer feiert sie Jubiläum

Seit 50 Jahren ist die Stiftung Arkadis das Dienstleistungs- und Fachzentrum für Menschen mit einer Behinderung im Raum Olten. An Standorten wie der Schärenmatte finden Menschen mit schweren kognitiven Beeinträchtigungen ein Zuhause, in dem sie kompetent begleitet werden.

Markus Maucher drückt auf einen grossen roten Knopf. «Heute Abend gibt es Pouletsalat», sagt eine Frauenstimme auf Schweizerdeutsch. In der Küche der Wohngruppe gibt es auch noch einen Knopf, der die Frage nach dem Menüplan fürs z’Mittag beantwortet. «Das ist ein grosses Thema bei den Bewohnerinnen und Bewohnern», sagt Maucher. Damit sie nicht immer die Mitarbeitenden fragen müssen, habe man die Knöpfe mit eingebauter Sprechanlage eingerichtet. «Den Knopf zu drücken macht natürlich auch so Spass», sagt er und schmunzelt. Markus Maucher ist Bereichsleiter in der Liegenschaft Schärenmatte der Stiftung Arkadis in Olten und führt durch eine der fünf Wohngruppen. Hier am Fusse des Säliwalds finden Erwachsene mit schweren kognitiven und körperlichen Beeinträchtigungen ein dauerhaftes Zuhause. Vor genau 30 Jahren wurde das Wohnheim mit integrierter Beschäftigungsstätte bezogen, und das ist nicht das einzige Jubiläum. Die Stiftung Arkadis selbst kann heuer nämlich ihr 50-jähriges Bestehen feiern. 1972 ging sie aus der Abspaltung einer Vorgängerinstitution hervor (siehe Box). Heute ist die Stiftung Arkadis das Dienstleistungs- und Fachzentrum für Menschen mit einer Behinderung – primär mit einer kognitiven Beeinträchtigung und/oder cerebralen Bewegungsstörung. In und um Olten bietet sie verschiedenste Angebote in den Bereichen Wohnen, Arbeit und Freizeit sowie Therapie und Beratung an.

Stiftung Arkadis / Anzeiger Thal Gäu Olten
Markus Maucher ist seit zehn Jahren Bereichsleiter in der Schärenmatte in Olten.


Stimmiges Umfeld
In der Schärenmatte etwa werden 47 Bewohnerinnen und Bewohner rund um die Uhr von Fachpersonal begleitet. In den Wohngruppen leben jeweils acht bis zehn Personen unterschiedlichsten Alters zusammen. Hier sei alles auf die speziellen Bedürfnisse der Bewohnenden ausgerichtet, erzählt Markus Maucher und zeigt auf einen kleinen Ball mit einem traurigen Gesicht, der an einer Wand neben der Küche hängt. Er erklärt: In Einrichtungen wie der Schärenmatt gibt es ein Machtgefälle zwischen den Mitarbeitenden und den Klienten. Viele Bewohnende haben keine Lautsprache, können sich also schwer ausdrücken. Es falle ihnen deshalb schwer, sich mittzuteilen, etwa wenn ihre Grenzen überschritten werden. Der Ball soll ihnen eine einfache Möglichkeit bieten mitzuteilen, dass etwas passiert ist, was ihnen nicht gefallen hat.

Ein für alle stimmiges Umfeld zu bieten, das ist ein Anspruch, an dem in der Schärenmatte immer wieder gearbeitet wird. So gibt es auch eine Wohngruppe speziell für Menschen mit dem Prader-WilliSyndrom, eine Seniorengruppe und eine für Demenzerkrankte. Letztere wurde 2013 in Betrieb genommen. «Demenzerkrankungen kommen bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigung gleich häufig vor wie im Rest der Gesellschaft, tendenziell aber früher», erklärt Maucher, während er durch die Demenzgruppe führt. Hier wurden einige bauliche Anpassungen vorgenommen. So wurden etwa in vielen Räumen spezielle Lampen installiert, welche Tageslicht imitieren können. Von ganz hell über gedimmt bis hin zu kurz vor Dämmerung. Sie können etwa helfen, wenn Bewohnende einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus haben, wie es bei Demenzerkrankungen häufiger der Fall ist.


Innovative Ateliers
Die Bewohnerinnen und Bewohner auf der Demenzstation sind an diesem Vormittag die einzigen, die in ihren Wohngruppen anzutreffen sind. Die restlichen Klienten sind in den Ateliers der Stiftung einen Stock weiter unten. Diese werden auch von 18 Personen genutzt, die von extern jeden Tag in die Institution kommen. Die Ateliers bieten ihnen eine Tages- und Arbeitsstruktur. Arbeit wird hier nicht im Sinne einer geschützten Werkstätte verstanden, es gehe darum, die Menschen gemäss ihren Fähigkeiten zu fördern, sagt Maucher. Es bestehen etwa Angebote im handwerklichen Bereich, bei denen auch Geschenkartikel entstehen, welche später verkauft werden. Eine Vorreiterrolle hat die Schärenmatte mit ihrem Kommunikationsatelier eingenommen. Dieses wurde in der Institution konzipiert und war bei der Eröffnung 2013 schweizweit eine Neuheit. Hier werden alle Formen der unterstützten Kommunikation mit den Klienten genutzt – immer nach ihren jeweiligen Möglichkeiten. Dafür werden verschiedene Hilfsmittel verwendet wie Gebärden, Sprachcomputer oder Tablets. Eines der Kommunikationsateliers stellt etwa eine Hauszeitung her. Ausserdem entstehen Flyer für interne Veranstaltungen oder Texte für den öffentlichen Auftritt der Stiftung, übersetzt in leichte Sprache. Das Angebot sei auch über die Stiftung Arkadis hinaus auf grosses Interesse gestossen, erzählt Maucher. Immer wieder besuchten Mitarbeitende anderer Institutionen die Schärenmatte und liessen sich das Kommunikationsatelier zeigen. «Mittlerweile gibt es auch in anderen Institutionen solche Ateliers, das begrüssen wir.»

Neue Aufgaben – konstante Herausforderungen
Nicht nur die Schärenmatte und die Stiftung Arkadis, auch Markus Maucher kann 2022 ein kleines Jubiläum feiern. Im November ist er zehn Jahre als Bereichsleiter in der Schärenmatte tätig und hat in dieser Zeit auch Veränderungen beobachtet, die die Institution vor neue Aufgaben stellt. Der Unterstützungsbedarf der Klientel sei zunehmend komplexer. «Herausforderndes Verhalten nimmt zu, dadurch werden auch die Anforderungen an die Mitarbeitenden anspruchsvoller», sagt Maucher. Rund 110 Personen aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen arbeiten in der Schärenmatte. Von Sozialpädagogen und Pflegefachpersonen über Fachfrauen und -männer Betreuung und Arbeitsagogen bis hin zu den Köchen und dem Lingeriepersonal. Hier stellt Maucher eine weitere Problematik fest: «Gut ausgebildetes Fachpersonal zu finden ist zunehmend schwierig.» Auch wenn in der ganzen Stiftung Arkadis selbst Personal ausgebildet wird, der Fachkräftemangel macht auch vor ihr nicht Halt.

Das Hauptaugenmerk ist und bleiben aber die Klienten: «Es ist immer wieder eine Herausforderung, unser Angebot bestmöglich an ihrem Bedarf auszurichten», sagt Maucher. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es gerade ein neues Projekt. Kürzlich wurde ein Mitwirkungsrat gegründet. Mithilfe einer Assistenz sollen künftig acht gewählte Bewohnerinnen und Bewohner aus den Liegenschaften Schärenmatt und Sonnenblick über verschiedene Themen diskutieren – etwa über das Ernährungskonzept. So sollen die Klienten noch stärker eine Stimme bekommen. Ein Ansatz, der in der Stiftung Arkadis und ihren Institutionen seit nunmehr 50 Jahren grossgeschrieben wird.

Die Stiftung Arkadis feiert ihr 50-JahrJubiläum am 25. Juni an ihrem Sommerfest an der Hardfeldstrasse 37 in Olten. Zwischen 11 und 18 Uhr gibt es Spiel und Spass für Gross und Klein mit einem Kinderkarussell, einer Tombola, einem Auftritt des Zauberers Buccini und vielem mehr. Auch diverse Verpflegungsmöglichkeiten sind vorhanden. Das Arkadis-Team freut sich auf zahlreiche Besucherinnen und Besucher.

50 Jahre Stiftung Arkadis
1972 wurde die zehn Jahre zuvor pionierhaft in Olten gegründete «Vereinigung zur Förderung geistig Invalider» in eine Elternvereinigung (heute insieme Olten) und eine Stiftung aufgesplittert. Die neue «Stiftung zugunsten geistig Behinderter und Cerebralgelähmter» übernahm die Institutionen des Vereins wie Wohnheime und Beratungsstellen. Anlässlich ihres 25-Jahr-Jubiläums änderte sie ihren Namen in «Stiftung Arkadis». Der Name geht auf den Begriff der Arkade (Bogen) zurück und soll die Vielfältigkeit der Dienstleistungen widerspiegeln, die alle unter einem gemeinsamen Bogen stehen. Heute – 50 Jahre später – wird die Stiftung Arkadis ihrem Namen nach wie vor mehr als gerecht. Sie verfügt über verschiedene Liegenschaften in und um Olten. In ihnen stellt sie Wohnangebote für Menschen mit mehr oder weniger Unterstützungsbedarf zur Verfügung, bietet Beratungsstellen für Eltern und Therapiemöglichkeiten an und betreibt Werkstätten und Ateliers, die Menschen mit einer kognitiven oder cerebralen Bewegungsstörung eine Tages- und Arbeitsstruktur ermöglichen. Seit 2018 betreibt sie ausserdem das Arcafé, in dem Menschen mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam eine Gastronomie führens, seit letztem Jahr zudem den Arkadis-Laden, ein Tagesstrukturangebot mit Verkaufsladen für die in den Ateliers und Werkstätten hergestellten Produkte. Finanziert wird die Stiftung grösstenteils durch die öffentliche Hand und zu einem kleineren Teil durch Spenden. Die rund 270 Mitarbeitenden der Stiftung betreuen, begleiten und fördern heute rund 1600 Klientinnen und Klienten und setzen sich für deren Inklusion in die Gesellschaft ein.

Weitere Informationen sind zu finden unter: www.arkadis.ch.

Text & Bilder: MB