Es war einmal ein Wolf. Er lebte in einem schönen Land mit hohen Bergen und saftigen Wiesen. Alles glänzte in güldenem Licht und strahlte weit in die ganze Welt hinaus. Den Bergen machte mitunter die Hitze zu schaffen und sie stürzten immer öfter in kleinen und grossen Brocken ins Tal. Die saftigen Wiesen verloren ihr sattes Grün. Ermattet lagen sie nieder, lechzten nach Wasser und verfärbten sich braun. Besonders arg erging es dem Grün in den Vorgärten zwischen Swimmingpools und Trampolins. Es wurde kurz getrimmt von kleinen Mährobotern, die den Menschen die Arbeit abnahmen. So hatten die Menschen Zeit für anderes. Für was bloss?
Der Wolf zog einsam durch dunkle Wälder und tiefe Täler. Für die Schönheit der Natur war er wenig empfänglich. Viel mehr gelüstete es ihn nach frischem Fleisch. Er hatte einmal gehört, dass Geisslein ganz hervorragend zu Wölfen passen. So machte er sich auf die Suche, und im schönen Kanton Waadt wurde er bald fündig. Sieben Geisslein standen da vor ihm und er brauchte nichts anderes zu tun, als zuzubeissen. Keine Kreide und auch kein Mehl brauchte er dazu. Da war auch kein Uhrenkasten, in dem sich auch nur ein letztes Geisslein hätte verstecken können. Das Märchen nahm seinen Lauf. Der böse Wolf landete zwar nicht mit Steinen im Bauch im Brunnen, dafür zuoberst auf der Abschussliste.
Wenig später stand es in allen Zeitungen des schönen Landes. In tupfgenaugleichem Wortlaut notabene, als hätte einer für alle geschrieben.
Welches Märchen wohl als nächstes real wird? Martina Flück ist für «Hans im Glück» (und mehr Diversität in den Schweizer Medien).