Gabi gehört der Gattung jener Berufsoptimisten an, deren Kommentare zu Hiobsbotschaften stets mit dem gleichen kategorischen Imperativ beginnen: «Du musst das Gute darin sehen!»
Hinterbliebenen, die ihre Lieben «nach langer, schwerer, mit grosser Geduld ertragener Krankheit» zu Grabe tragen, befiehlt sie, das Gute darin zu sehen, Zeit zum Abschiednehmen gehabt zu haben. Wer Angehörige an plötzlichem Herztod verliert, wird ultimativ geheissen, das Gute darin zu sehen, dass den Toten Leiden und Siechtum erspart blieben.
Was mich an ihr irritiert, ist weniger die Gabe, selbst die grässlichsten Fratzen des Schicksals in ein sanftes Licht zu rücken, das ihnen vermeintlich harmlose Tierbabygesichter verleiht. Vielmehr stört mich der schönfärberische, inquisitorische Kreuzzug, den sie im Namen einer gnadenreichen Positivität führt.
Jüngst kreuzten sich unsere Wege. Fast hätte ich sie nicht wiedererkannt. Ihr Gesicht war fahl, schlaff, ohne maskenhaftes Lächeln. Was geschehen sei, wollte ich wissen. «Luna!», schluchzte sie. Ihr Hund. Zwischen Wimmerlauten vernahm ich ein «tot». «Du musst das Gute darin sehen», hörte ich mich mit salbender Stimme sagen. «Jetzt brauchst du nicht mehr bei jedem Wetter zwei Mal täglich rauszugehen.» Wolken des Hasses verfinsterten ihren Blick. Sie türmte schiere Verachtung zu einem Scheiterhaufen, auf dem sie mich augenblicklich verbrannte. In mir loderten diabolische Flammen selbstgerechter Überlegenheit auf. Beinahe verführten sie mich zu glauben, just dies niedere Gefühl sei Gabis wahrer Beweggrund für ihren militanten Optimismus.
Der Autor findet, schwarz darf auch mal schwarz bleiben und muss nicht permanent weissgeredet werden.