Rund 20 junge Kulturaffine wollen seit einem Jahr Leben in verlassene Räume in Olten bringen und das kulturelle Angebot verbessern. Der Kanton verlieh dem Kunst- und Kulturkollektiv anané kürzlich den Preis für junges Engagement. Ob Parties, Konzerte oder Ausstellungen – die Mitglieder von anané haben viele Ideen, um ihre Heimatstadt attraktiver zu machen.
Wer jung ist und studiert, der verlässt meist seine Heimat für eine Zeit. Der geht nach Zürich, Basel oder Bern und lässt die Kleinstadt hinter sich. Nicht so die fünf jungen Menschen, die an diesem Tag am Wohnzimmertisch einer Oltner WG sitzen. Elisa Gönner, Julian Stettler, Severin Heller, Maximilian Huber und Luisa Segessenmann sind alle Anfang zwanzig, studieren und: sie sind in Olten geblieben. Für sie alle war das eine mehr oder weniger bewusste Entscheidung.
Die Menschen, die gute Zugverbindung, die angenehme Grösse der Stadt – alles Dinge, die man mit der Zeit zu schätzen wisse, sagen sie. «Es ist nicht so anonym wie die Grossstadt, aber auch nicht so persönlich wie im Dorf. Man kennt die Leute, die man kennen will», fasst es Maximilian Huber zusammen. Doch bei aller Wertschätzung, etwas stört die fünf: Dass es in der Oltner Kulturszene aus ihrer Sicht wenig Angebote für Junge gibt und einige leerstehende Räume nicht genutzt werden. «Olten schöpft sein Potential nicht aus», findet Elisa Gönner. Die 23-Jährige ist die Gründerin von anané, dem Oltner Kunst- und Kulturkollektiv, welches genau das ändern soll.
Das Ziel des Kollektivs, dem die fünf angehören: Die Oltner Kulturszene beleben. Mithilfe von Anlässen, die auch jungen Kunstschaffenden eine Plattform geben und dies am besten in ansonsten leerstehenden Orten. Kürzlich wurde anané vom Kanton der Preis für junges Engagement «Ausgezeichnet!» verliehen.
Etwas Konstantes
Gegründet wurde anané vor rund einem Jahr. Damals kamen gleich zwei Dinge zusammen. Im Sommer 2021 wurde das Kulturlokal Coq d`Or nahe des Bahnhofs von der Pandemie in die Knie gezwungen. Für viele Junge ging damit ein wichtiger Treffpunkt verloren. Elisa Gönner veranstaltete in dieser Zeit gerade mit einer Freundin ein Pop-up-Secondhand-Kaffee mit Konzert im Mokka Rubin unter dem freierfundenen Namen anané. «Das ist so gut angekommen, dass daraus der Wunsch gewachsen ist, etwas Konstantes zu machen», sagt sie. Daraufhin habe sie Leute aus ihrem Freundeskreis zusammengesucht, die Lust hatten, etwas auf die Beine zu stellen.
Aus ihrer WG mit Luisa Segessenmann heraus nahm das neue Projekt unter altem Namen Gestalt an. Heute gehören nicht nur die fünf, die an diesem Tag am WG-Tisch sitzen, dazu. Mittlerweile besteht das Kollektiv aus 20 jungen Kulturaffinen aus dem Raum Olten, im Alter zwischen 18 und 28 Jahren. Die meisten studieren, etwa Umweltwissenschaften, Humanmedizin oder Kommunikation. Ausserdem sind viele bereits engagiert, in der Pfadi, der Politik oder anderen Oltner Kulturvereinen und Projekten.
Ein Crowdfunding auf der Seite Lokalhelden.ch der Raiffeisenbank sorgte für die notwendige Anfangsfinanzierung. Nach nur zwei Monaten war das Ziel von 5000 Franken nicht nur erreicht, sondern übertroffen. Mehr als 7000 Franken kamen insgesamt zusammen, die in Projekte und Events investiert werden können. Ausserdem ist das noch junge Kollektiv dem Verein art i.g Plattform für Kunst und Kultur Olten beigetreten. «Wir können vom Know-how und dem bestehenden Netzwerk sehr profitieren», sagt Luisa Segessenmann.
Erste Erkenntnisse
Drei Veranstaltungen sind seit der Gründung des Kollektivs entstanden. Zweimal fand in der Rötzmatt, in der Garage 8, ein anané-Wochenende statt mit jeweils einer Techno-Party, einem Konzert und einem veganen Brunch. «Vor allem der Rave und der Brunch sind sehr gut angekommen», sagt Julian Stettler. Ein Techno-Rave und ein veganer Brunch, das gab es in Olten bisher noch nicht, Konzerte hingegen sind alles andere als Mangelware. Wohl deswegen und weil einige nach der Partynacht etwas Pause brauchten, haben sich die meisten für Party und Brunch aber gegen das Konzert entschieden. Konsequenz: Ein anané-Wochenende in dieser Form werde es wohl nicht mehr geben. «Wir machen in Zukunft besser einzelne Veranstaltungen», sagt Elisa Gönner. Eines hat sich aber gezeigt: Es lohnt sich, Lücken im kulturellen Angebot zu füllen. «Wir hatten tolle Rückmeldungen, das motiviert extrem», meint Julian Stettler. Die dritte Veranstaltung im letzten Jahr war ein Glühweintrinken im Klostergarten mit Konzert.
Eines ihrer Ziele konnte das Kollektiv bisher aber noch nicht erreichen. Es habe sich herausgestellt, dass es schwierig ist, an leerstehende Orte in Olten heranzukommen, beziehungsweise die Besitzerinnen und Besitzer dafür zu begeistern, diese für kulturelle Veranstaltungen zugänglich zu machen. «Falls jemand einen Raum hat, den er oder sie uns zur Verfügung stellen will, bitte melden!», sagt Luisa Segessenmann und lacht.
Offen für alle
Derzeit versucht sich die Kerngruppe, die aus rund zehn Personen besteht, einmal im Monat zu treffen. Nicht immer ganz einfach mit so vielen Mitgliedern, die neben anané noch Studium, Nebenjob und andere Engagements unter einen Hut bringen müssen. Und nicht nur das. «Natürlich ist es schwierig, bei einer so grossen Gruppe immer auf einen Nenner zu kommen und es gibt es auch mal Unstimmigkeiten», sagt Severin Heller. Sie versuchten aber jede Meinung zu hören und alles gut zu besprechen. Grundsätzlich soll anané für alle offen stehen. «Jede und jeder kann mitmachen», sagt Elisa Gönner.
Wer die junge Gruppe erlebt, der spürt, wie viel Herzblut und kreative Energie sie in ihr Projekt investieren. Mit ihren Anlässen wollen anané in Zukunft nicht nur junge Menschen aus ihrer Bubble ansprechen. Luisa Segessenmann: «Natürlich ist es schön, unsere Freundinnen und Freunde zu treffen, aber wir wollen auch Angebote für eine breite Altersgruppe schaffen.»
Die Ziele
Die nächsten Events von anané stehen bereits: Am 4. und 5. März wird es in der Rosengasse 41 einen Secondhand- und Kunstmarkt sowie Brunch geben und am 25. März organisiert das Kollektiv erneut einen Techno Rave. Für die Zukunft schwirren noch so einige Ideen in ihren Köpfen herum: So wollen die Mitglieder dem Kunstaspekt, der bei anané bisher noch kaum zum Zug kam, mehr Raum geben. Vielleicht einen alten Bauwagen renovieren und daraus eine fahrende Bar machen und mit anderen Jugendgruppen im Kanton, die sie im Zuge der Preisverleihung kennengelernt haben, zusammenarbeiten.
Ihre Wunschvorstellung wäre allerdings eine andere: Dass es anané dereinst gar nicht mehr braucht, weil das kulturelle Angebot so divers ist. «Das Ziel wäre es, dass Leute aus anderen Städten nach Olten kommen, um hier Kultur zu erleben», sagt Luisa Segessenmann. Olten solle mehr sein als nur der Ort, an dem man umsteigt.
Mehr Informationen: www.anane.ch