Mit spitzer Feder

Tanja Baumberger

Immer wieder höre ich, ich sei eine Powerfrau. Für manche ist das ein Kompliment, für andere vielleicht eine Möglichkeit, mir zu sagen, dass ich umtriebig bin. Eine Powerfrau ist, wenn man auf der Bühne steht, selbständig ist, Projekte durchzieht, sichtbar ist, hörbar ist – aus Sicht der Aussenwelt.

In der heutigen Zeit ist es Fluch und Segen zugleich, dass man auf diversen Portalen präsent sein muss. Sonst sei man inexistent, sagt uns das Marketing. Ich finde es ziemlich nervig, wenn man mir sagt, ich sei eine «Powerfrau». Jeder, der sich selbst verkauft, landet dann auch schnell in der Schublade «Narzissmus» – Schauspieler ja sowieso, ichbezogen, wie wir sind. Diesem Urteil kann ich wenig abgewinnen. Wer sich ein bisschen mit Schauspielerinnen und Schauspielern auseinandersetzt, weiss, dass nur eine geringe Zahl so veranlagt ist. Die meisten sind hintergründige, oft sogar unsichere Menschen, welche reflektieren, spiegeln und sich selber infrage stellen.

Ich für meinen Teil bin nicht mehr schüchtern. 30 Jahre Berufserfahrung und ein gesundes Selbstvertrauen helfen, mit den ureigenen «Fluchtmechanismen» im Alltag umzugehen. Und dann braucht es ja auch eine gesunde Portion Lampenfieber und Nervosität vor jedem Auftritt. Ich habe das auch. Schon Udo Jürgens sagte hierzu, wenn er das nicht mehr habe, sei etwas «falsch».

Wenn Sie wieder mal eine Powerfrau sehen, sei Ihnen versichert, dass diese bestimmt auch eine andere Seite hat. Gibt es überhaupt das Wort «Powermann»?

Tanja Baumberger braucht unglaublich viel Zeit in ihrem Schneckenhaus, im Umfeld ihrer Familie, in der Ruhe, im Nicht-Aussen-Sein – um sich von ihrer «Power» zu erholen.