Frauezmorge Roessli Oensingen / Anzeiger Thal Gäu Olten
Volles Haus in der Genusswerkstatt Oensingen: Ein Frühstückstreffen 2019.

Eine Erfolgsgeschichte im Wandel der Zeit

Das Frauenzmorge feiert im Restaurant Rössli in Oensingen sein 40-Jahr-Jubiläum

Seit vierzig Jahren treffen sich Frauen in der Schweiz regelmässig zum gemeinsamen Frühstück. Seit geraumer Zeit finden die Veranstaltungen von Frauenzeit, ehemals «Frühstückstreffen von Frauen für Frauen», auch im Gäu statt. Das soll nun an einem Jubiläumsanlass im Rössli in Oensingen gefeiert werden. Dafür gehen die Organisatorinnen neue Wege: Der Anlass findet abends statt und ist auch für Männer offen. Ab und an müsse man etwas verändern, um auch jüngere Frauen anzusprechen, sagt Leiterin Claudia Knuchel.

Ein Zmorge in schönem Ambiente, ein Referat über Lebens- und Glaubensfragen und eine passende musikalische Umrahmung – das ist das simple, aber erfolgreiche Konzept der Veranstaltungen von Frauenzeit, vorher bekannt als Frühstückstreffen von Frauen für Frauen. Seit vierzig Jahren gibt es die Anlässe, seit dreissig Jahren auch im Gäu. Erst fanden sie in Egerkingen statt, seit geraumer Zeit aber trifft man sich in der Genusswerkstatt der Vebo in Oensingen.

Hier ist es auch, wo Claudia Knuchel, Leiterin des Frauenzeit-Teams in Oensingen, bei einem Kaffee von den Anlässen erzählt. An ihre erste Begegnung mit dem Frauenzmorge könne sie sich nur noch verschwommen erinnern. Als junge Erwachsene habe sie ihre Mutter einmal an ein solches Treffen an ihrem damaligen Wohnort im Kanton Aargau begleitet. «Ich weiss noch, wie ich gedacht habe: Da sind ja überall Frauen», sagt sie und lacht. Viele Jahre später wurde sie von der damaligen Leiterin der Anlässe in Oensingen angesprochen und gefragt, ob sie nicht Lust habe, mitzuarbeiten. Das ist jetzt acht Jahre her. Seitdem organisiert Knuchel, mittlerweile als Leiterin, mit einem fünfköpfigen Team jedes Jahr zwei Veranstaltungen – einmal im Frühling und einmal im Herbst. Der nächste Termin am 29. April wird da ein ganz besonderer sein: Im Restaurant Rössli in Oensingen soll, ausnahmsweise am Abend, die lange Geschichte der Frühstückstreffen für Frauen gefeiert werden. Die Gründerin Barbara Jakob scheint vor vierzig Jahren nämlich einen Nerv getroffen zu haben.

Überkonfessionelles Forum
Gemeinsam mit anderen Frauen gründete Barbara Jakob aus Küsnacht die Treffen unter dem Namen «Frühstückstreffen von Frauen für Frauen». Ziel war es, ein überkonfessionelles Forum zu schaffen, in dessen Rahmen Frauen über aktuelle Lebens- und Glaubensthemen diskutieren konnten. In einer Zeit, in der viele junge Mütter nicht berufstätig waren und es wenige Angebote in diesem Bereich gab, stiess die Idee auf ein grosses Echo. Am zweiten Frauenfrühstück in einem Zürcher Hotel im Jahr 1983 nahmen 900 Frauen teil. Sechs Jahre später, 1989 waren an einem Treffen im Kursaal in Bern gar 1200 Teilnehmerinnen zugegen. Von Zürich aus verbreitete sich die Idee nämlich in die ganze Schweiz, aber auch über die Landesgrenzen hinaus nach Deutschland, England, Spanien, Kroatien und nebst weiteren europäischen Ländern sogar nach Australien! Vor Kurzem wurde der Name zu Frauenzeit geändert. Dahinter steht wiederum die Organisation Campus für Christus, die sich selbst als Missionsbewegung bezeichnet, also den christlichen Glauben in die Welt tragen will. Die Frauenzeit-Events finden heute in 12 Schweizer Gemeinden statt – wie zum Beispiel Lugano, Chur und eben auch Oensingen. In denen sind jeweils Regional-Teams verantwortlich, die alle überkonfessionell aufgebaut sind. Frauenzeit organisiert nicht nur Frühstückstreffen, sondern auch Kurse, Beratungen und Seminare zu Lebensund Glaubensthemen.

Christliches Weltbild als Basis
Muss man denn gläubig sein, um den Veranstaltungen beizuwohnen? Claudia Knuchel, die auch im nationalen Leitungsteam von Frauenzeit tätig ist, überlegt kurz. Es sei schon so, dass jeder Vortrag auf dem christlichen Weltbild aufbaue. «Eine gewisse Offenheit dem Thema gegenüber ist sicher gut», sagt sie. Aber: «Willkommen sind natürlich alle, vielleicht interessiert die eine oder andere auch einfach die Lebensgeschichte, die erzählt wird.» In den Referaten geht es um ganz unterschiedliche Themen wie Resilienz, faires Streiten oder andere Hilfestellungen rund um Beziehungsfragen. Ausserdem erzählen die Referentinnen immer wieder von ihren Biografien, die zuweilen ungewöhnlich sind oder von Schicksalsschlägen durchbrochen. Knuchel und die anderen Organisatorinnen haben eine Liste mit Referentinnen zur Verfügung, aus der sie wählen können. «Es haben natürlich auch unsere eigenen Ideen Platz, falls uns jemand auffällt», sagt die Oberbipperin.

So hat es sich auch bei der Planung zum Jubiläumsanlass am übernächsten Samstag im Rössli verhalten. Auf der Bühne wird an diesem Abend ausnahmsweise ein Mann referieren. Bei der Lektüre seines Buches ist Knuchel auf den deutschen Bild-Journalisten Daniel Böcking aufmerksam geworden. Dieser war als Reporter zum Glauben gekommen. «Journalist trifft Gott», wird sein Thema in Oensingen sein.

Muster durchbrechen
Mit dem Anlass gehen die Organisatorinnen nicht nur in Sachen Referent andere Wege als gewohnt. Er findet abends statt und es sind auch Männer herzlich willkommen. Auch über das Jubiläum hinaus wollen die Oberbipperin und ihre fünf Mitstreiterinnen ab und an das gewohnte Muster der Frauenzeit unterbrechen. Dafür gibt es verschiedene Gründe. «Viele der Themen, die bei unseren Treffen besprochen werden, sind auch für Männer interessant», sagt Knuchel. Ausserdem sei es für viele Frauen schön, wenn sie solche Veranstaltungen mit dem Partner besuchen können. Weiter habe sie die Erfahrung gemacht, dass vor allem jüngere Frauen mit Kindern sich einfacher einen Abend für eine solche Veranstaltung freinehmen als einen Samstagmorgen.

Frauenzeit hat nämlich ähnliche Herausforderungen wie viele Vereine und Bewegungen. Eine gewisse Überalterung der Mitglieder und Teilnehmerinnen sowie Schwierigkeiten, Jüngere für ihre Anliegen zu begeistern. Heute gebe es vielmehr Angebote für Frauen als noch zu den Gründerzeiten der Frühstückstreffen, sagt Knuchel. Teilnehmerinnenzahlen wie in den 80ern erreicht man nicht mehr. Auch, wenn vor Corona immer noch gut und gerne zwischen 100 und 150 Frauen in Oensingen zusammenkamen und die Teilnehmerinnenzahl je nach Thema naturgemäss schwanke, die Entwicklung sei ganz klar rückläufig.

Frauezmorge Roessli Oensingen / Anzeiger Thal Gäu Olten
So viele Frauen wie zu den Anfängen, hier ein Treffen 1985 in Bern, sind es heute aber nicht mehr.


Stärken und ermutigen
Eines ist aber klar, auch wenn ab und an Männer willkommen sind: Frauenzeit soll Frauenzeit bleiben. «An unseren Treffen geht es um die Gemeinschaft unter Frauen und um gute Gespräche, die inspirieren», sagt Claudia Knuchel. Sie glaube, dass Frauen auch heute noch andere Räume brauchten, um sich auszutauschen. «Wir sind oft beziehungsorientierter als Männer, weshalb uns die zwischenmenschlichen Themen stärker beschäftigen», sagt Knuchel. Sie erlebe oft, dass an den Treffen eine Art Oase entstehe, in der man sich offen austauschen könne. Darum gehe es schlussendlich: «Wir wollen Frauen stärken und ermutigen.» Dieser Leitsatz bleibt, auch wenn die Türen der Frauenzeit-Events ab und an auch für die Herren der Schöpfung offen sind.

Jubiläums-Soirée mit Apéro und Musik – für Frauen und Männer. Samstag, 29. April, Rössli Oensingen. Kosten: 35 Franken. Anmeldung bis morgen, 21. April: www.frauen-zeit.ch/events

Text: MB & Bilder: ZVG