Das Motorrad habe ich abgestellt und den Integralhelm abgenommen. Als ich weglaufen wollte, kam er mir entgegen. Der Marokkaner trug ein breites Lachen im Gesicht. Die Zähne waren am Ansatz alle dunkler und seine Haarpracht hatte schon dichtere Zeiten erlebt. Seine beigen Jeans und auch sein T-Shirt wiesen einige Flecken auf, was daraus hinwies, dass die letzte Wäsche auch schon länger her war.
Freundlich sagte er: «Hallo, wir kennen einander!» Ich mochte mich nicht erinnern. «Doch», fuhr er in seinem gebrochenen Deutsch weiter, «ich arbeite dort», und zeigte auf mein Motorrad. Meine Frage: «In Bützberg?» «Ja genau, dort. Weisst du nicht mehr, ich habe dir geholfen, das Motorrad auszuladen. » Ich konnte mich echt nicht erinnern. «Wie geht es dir?», fragte er mich. «Gut», sagte ich, und stellte dieselbe Gegenfrage. «Mir geht es auch gut», erwiderte er sympathisch, «aber meiner Frau, der geht es schlecht. Die hat Herzprobleme!» «Ach, das tut mir aber leid», gab ich zur Antwort. Er fragte mich, ob ich ihm siebzig Franken an die Medikamente für seine Frau ausleihen könnte, die er nun holen sollte. Die würden hundert Franken kosten und er habe nur dreissig in der Tasche. Ich musste ihn enttäuschen, denn ich hatte kein Bargeld bei mir.
Er trottete gesenkten Hauptes davon. Etwas später kam mir in den Sinn, dass ich bei meinem Motorradhändler das Motorrad nie ausgeladen hatte – ich fuhr immer selber vor. Irgendwann bestätigte mir auch der Händler, dass er nie einen Marokkaner angestellt hatte!
Wenn es einen Preis für kreatives Betteln gäbe, Norbert Eggenschwiler hätte den Mann glatt dafür nominiert.