Es ist immer tragisch, wenn jemand viel zu früh aus dem Leben gerissen wird. Gerade so schlimm finde ich aber, was aus dem guten, alten Rock’n’Roll und seinen Protagonisten von einst geworden ist. Wollten diese früher jung und schön sterben, tauschen sie heute den ausschweifenden Lebenswandel gegen Askese, Verveine-Tee und Bachblütentröpfchen, um dereinst als reiche Greise Gevatter Tod ins Auge zu schauen.
Die einen zieht es auf den Golfplatz, wo sie nicht länger an ihrem Bad-Boy- Image, sondern an ihrem Handicap arbeiten. Andere fliehen in den Wald, wo ihre Umarmungen statt Fans oder Whiskeyflaschen wahlweise Buchen, Eichen oder anderweitigem Gehölz gelten. Sie lassen sich für die Titelseiten der Yellow Press ablichten, speziell dann, wenn sie gerade ihre Lebensweisheiten zur Freude von Konto, Bankberater und designierten Erben zwischen zwei Buchdeckel geklemmt haben.
Und erwischt der Sensenmann einen von ihnen dennoch unprogrammmässig früh, ist er weder vollgedröhnt noch auf der Flucht vor übereifrigen Gesetzeshütern. Nein, der moderne Rockrentner klopft an Petrus’ Pforte, weil er brav seinen Töff auf dem Pannenstreifen parkiert hat und gerade dabei ist, das Regengwändli zu montieren, um einem inkontinenten Wölkchen, das über ihm aufgezogen ist, Tribut zu zollen, als ein vorbeifahrender Truck seinen Feuerstuhl in ein letales Katapult verwandelt. Darwin trifft auf Rock. Dagegen scheint die Volksmusikbranche richtig wild, denn dort gibt es noch hemmungslose Exzesse, Sex and Drugs and Heimatmelodie …
Am 5. August wäre Steve Lee 60 geworden … hätte es am 5. Oktober 2010 in Nevada nicht geregnet.