Besetzt. Mit einem feuchten Tuch, schluddrig auf die Liege geschmissen. Daneben ein halb leerer Becher, ein Buch und die Wellnesstasche des Hotels. Ruheraum «Afrika» ist voll. Voll mit menschenleeren Liegen und feuchten Tüchern. Schade. Nächster Versuch im Ruheraum «Orient». Das gleiche Bild auch hier. Zehn Doppelliegen, zwei davon mit Menschen besetzt, der Rest mit benutzten Tüchern und dem Anspruch, stets und ständig alles verfügbar zu haben. Die Rechtfertigung: Die anderen machen es ja auch so. Die Saunen sind prall gefüllt mit nackten Leibern. Wie Güggeli vom Grill reihen sie sich in der Panoramasauna auf. Eine Frauengruppe plaudert lauthals drauflos. Einige Stumme störts. Andere wiederum – angestachelt von kollektivem Unrechtsbewusstsein – übertönen schwitzend die erste Gruppe. Die Gestörten bleiben stumm. Derweil verlangen die Nimmersatten im Dampfbad in beunruhigender Selbstverständlichkeit nach mehr Honig für ihr Peeling.
Nur draussen steigt ein erhitzter Saunagänger ruhig in das eiskalte Wasser des Tauchbeckens, legt sich danach in den Schnee und freut sich über die belebende Wirkung von Kälte und Stille. Noch weiss er nicht, dass er gleich nirgends ein Plätzchen zum Ruhen finden wird. Sie wissen es: Die Liegen sind voll. Besetzt von all den Menschen, die davon besessen sind, alles besitzen zu müssen. Jede Liege gehört ihnen, jedes Essen am Buffet, Afrika, Orient, die ganze Welt: Sie greifen sich alles. Denn wenn sie es nicht tun, dann tut es doch sonst jemand.
Martina Flück phantasiert von einer Welt ohne Neid und Gier.