«Wie geht es dir?», frage ich eine Bekannte beim zufälligen Zusammentreffen auf der Strasse. «Ach, ganz gut, danke dir. Gell man darf ja nicht klagen, wenn man sieht, was auf dieser Welt gerade wieder so alles Schlimmes passiert.» Ich pflichte ihr mit irgendeiner Floskel bei und sobald sich unsere Wege wieder getrennt haben, nerve ich mich. Ich nerve mich darüber, dass ich wieder mitgemacht habe beim Beklagen des grossen Ganzen und beim gleichzeitigen Verharmlosen des kleinen Eigenen. Natürlich ist die aktuelle Lage von Kriegen bis Klima und unfassbar Vielem dazwischen oft zum Schreien. Zum Verzweifeln. Zum Angst bekommen.
Aber ich kann es nicht mehr hören, dass man seine eigenen, ganz persönlichen Schieflagen deswegen nicht auch mal zum Schreien finden kann. Zum Verzweifeln. Zum Angst bekommen. Natürlich sind wir absolut privilegiert und dürfen unendlich dankbar und demütig sein, hier zu leben und nicht im Gaza-Streifen. Natürlich! Aber wenn jemand fragt, wie es uns geht und es uns gerade nicht gut geht, dann dürfen wir das sagen. Dann sollten wir anstelle des ewig gleichen «Guet, es muess», antworten können mit «Nid guet.» Denn »es muess» nicht. Es muss uns nicht immer gut gehen und wir dürfen darüber sprechen. Wir können informiert, engagiert und empathisch am Weltgeschehen teilhaben und unser eigenes Leben trotzdem nicht als «vernachlässigbar » einstufen. Denn wenn wir selbst uns nicht ernst nehmen, wer soll es dann tun? Wer?
Sabrina Glanzmann fragt Sie: Wie geht es Ihnen? Jede Antwort ist die richtige.