«Grosi, erzähl mir ein bisschen von früher », bettelte die Kleine. «Ach, Kind», begann die Grossmutter wehmütig, «früher war alles anders. Da gab es noch richtiges Geld. Cash.» «Was war ‹Cash›?», wollte die Kleine ungeduldig wissen. «Das waren Münzen aus Metall und Papiernoten, die einen bestimmten Wert hatten. Immer am Sechsten des Monats brachte der Briefträger meiner Oma die Rente in Geldscheinen und Münzen persönlich nach Hause. Oma machte ihm dann einen Kaffee und tauschte mit ihm den neusten Klatsch aus dem Quartier aus. Dann trug sie die gesammelten Einzahlungsscheine fein säuberlich in ein gelbes Büchlein ein, ging damit zur Post und bezahlte ihre Rechnungen. Ja, so war das früher mit der Post und dem Cash. Später kamen die Karten, die Chips und der biometrische Scan.»
Die Kleine kicherte ob eines witzigen Wortes. «Grosi, was war ‹die Post›?» Bevor die alte Frau zum Antworten kam, ertönte eine blecherne Stimme aus dem Bauch des Mädchens: «Stromversorgung kritisch, Ladezone aufsuchen!» Leeren Blickes tappte der humanoide Gesellschafter zu einem markierten Punkt in der Ecke, wo seine Augen rot zu blinken begannen. Das Licht wurde gedimmt, das automatische Pflegebett drehte die Grossmutter in Ruheposition und verabreichte ihr ein Schlafmittel. Solange ihr Konto noch gedeckt war, würde sie sich nicht vor einer Überdosis fürchten müssen. Die Alte schlummerte sanft ein und träumte von Banknoten, von Briefträgern, von der Post und von ihrer einstigen Leibspeise: Rösti.
Der Autor leert seinen Briefkasten täglich … solange er noch kann.