Die Christkatholische Kirche und Olten haben eine grosse gemeinsame Geschichte. In den Jahren 1871 bis 1876 hat sich diese Kirche in einem mehrjährigen Prozess gebildet, an ihrem Ursprung stand die Besinnung auf kirchliche Fragen am sogenannten «Oltner Tag» anno 1872.
Am 1. Dezember 1872 haben rund zweitausend an das Treffen in Olten gereiste freisinnige Katholiken beschlossen, christkatholische Gemeinden zu gründen und eine eigene kirchliche Organisation aufzubauen. «Man muss sich diesen für damalige Zeiten gewaltigen Menschenauflauf mal vorstellen», sagt Monique Rudolf von Rohr, Präsidentin der Christkatholischen Kirchgemeinde Region Olten. Im Fünferkomitee, welches dieses Treffen organisierte, wirkte auch der Oltner Rechtsgelehrte Walther Munzinger mit. Der Sohn des ehemaligen Bundesrates verfasste die Statuten des Vereins freisinniger Katholiken und gilt heute als Hauptpromotor einer christkatholischen Gemeinde in Olten.
«Für viele Geistliche war die unfehlbare Gewalt des Papstes schlicht nicht mehr tragbar», sagt Ursula Ulrich, alt Nationalrätin und Mitglied des Kirchgemeinderates. Vater Josef Munzinger sei prägend gewesen für den Bundesstaat, sein Sohn für die christkatholische Bewegung. Rasch führten die Christkatholiken anstelle von Latein in der Messe die Landessprache ein, bereits 1878 durften Priester heiraten. «Noch heute steht der Oltner Tag exemplarisch für die Auflehnung gegenüber Rom», sagt Monique Rudolf von Rohr.
Kein Zölibat und die Ehe für alle
Den Schwung und die mediale Präsenz der Wählerversammlung möchten Monique Rudolf von Rohr und ihr Team vom Kirchgemeinderat mitnehmen und sich vermehrt in der Öffentlichkeit präsentieren – und so auch neue Mitglieder für ihre Kirche gewinnen. Der Christkatholischen Kirchgemeinde Region Olten sind 39 Gemeinden von Winznau bis nach Gänsbrunnen angeschlossen, sie zählt rund 400 Mitglieder – Luft nach oben ist also vorhanden. Die Präsidentin relativiert: «Wir sind uns bewusst, dass das kein Kinderspiel wird, nehmen uns aber auch die notwendige Zeit und wollen Schritt für Schritt gehen.»
Der Argumente, um sich näher auf ihre Kirche einzulassen, hat sie einige einzubringen: Die Oltner Christkatholiken nehmen für sich in Anspruch, eine «gelebte Gemeinschaft» zu sein, mit einer Kirche mitten in der Stadt, mit Ausstellungen, Gottesdiensten und Musik, welche für die Menschen offen steht. Sie bieten laut Rudolf von Rohr ein «intaktes Wertesystem» an. «Zudem können Interessierte sich der spirituellen Inhalte unserer Kirche bedienen, ohne sich verbiegen zu müssen», betont sie.
Die Christkatholiken legen zudem Wert darauf, sich in wesentlichen Punkten von den Römisch-Katholiken zu unterscheiden: Kein Zölibat, Frauenordination, sprich die Zulassung von Frauen zu geistlichen Ämtern in der Kirche sowie seit 2022 die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Liebe durch die Synode. Ganz generell bezeichnen sich die Christkatholiken als «liberal und offen». Die Präsidentin stellt fest: «Was viele Römisch-Katholische Kirchenmitglieder gerne möchten, ist bei den Christkatholiken schon sehr lange verwirklicht.» Ursula Ulrich betont, man lasse sich in ihrer Kirche auf Dialoge ein – «bei uns haben viele Meinungen Platz und können geäussert werden.»