Vor anderthalb Monaten sassen wir in einem Strassencafé in der armenischen Hauptstadt Jerewan und diskutierten mit einer armenischen Freundin über die bevorstehende Heimreise. Ich sagte mit Blick auf die immer ekelhafte Sicherheitskontrolle beim Umsteigen in Wien, ich hätte einen Diplomatenpass beantragen sollen für die Reise. Unsere armenische Freundin meinte dann ganz erstaunt: «Du kannst das und hast es nicht getan? Also wenn unsere Parlamentarier ein Privileg haben können, dann nehmen sie es auch!»
Mit der Inbrunst der Überzeugung erklärte ich ihr, dass das in der Schweiz halt schon ganz anders laufe. Dass hierzulande halt die Macht verteilt sei. Dass genau deshalb sich niemand Privilegien herausnehmen könne. Dass schnell auffliege, wer sich als Mehrbesser aufführe und abgewählt werde. Und dass ich unter dem Strich genau deshalb nichts anderes als ein Diener des Volkes sei.
Und dann muss ich ein paar Wochen später im Bundeshaus mitbekommen, wie zwei meiner Kollegen in einem unglücklichen Moment die Treppe runter wollen, dies aber nicht dürfen. Statt die zehn Meter daneben liegende Wendeltreppe zu nehmen, pöbeln sie die Sicherheitsleute an, sie dürften überall durch, sie seien schliesslich «gewählte Parlamentarier».
Ich halte selbstverständlich fest an meinem idealistischen Bild der Schweiz als Bastion der wahren Volksherrschaft. Ich muss aber halt auch akzeptieren, dass es unter meinen Kollegen solche gibt, die das mit den «Dienern des Volkes » etwas anders auffassen als ich.
Stefan Müller-Altermatt wurde in Wien tatsächlich einmal mehr saublöd behandelt bei der Sicherheitskontrolle – und nahm es hin.