Seit Herbert von einer Boulevardzeitung fünfzig Franken für das verwackelte Video eines brennenden Autos auf dem Pannenstreifen der A1 bekommen hatte, herrschte bei ihm pure Euphorie. «Video: Leserreporter» stand unter seinem Werk. Ab diesem Moment glaubte er, im Beruf des Leserreporters seine Bestimmung gefunden zu haben. Er sei viel mit dem Auto unterwegs, verfüge über ein brandneues Handy und ein sicheres Auge für die kleinen und grossen Unglücke des Alltags, verkündete er.
Wir versuchten, ihn von seinem Plan abzubringen. Die Verlage hätten rasende Reporter entlassen und bedienten ihre Kanäle jetzt mit billigen, austauschbaren Bildern billiger, austauschbarer Zeitgenossen. Wertschätzung: Fehlanzeige. Doch je mehr Gegenwind ihm ins Gesicht wehte, desto fester stand Herberts Entschluss: Er würde sich fortan Harry nennen und als Leserreporter sehr, sehr viel Geld machen. Bilder von ihm würden schon bald überall die Titelseiten dominieren. Vielleicht, schwärmte er mit dem Ton eines Visionärs, würden ihm die Medien sogar einen vierstündigen Livestream vom Gotthardstau abkaufen. So könnten auch Daheimgebliebene das kollektive Gefühl des Nichtvorwärtskommens hautnah erleben.
Bild von ihm habe ich nur noch eines in den Medien gesehen. Gepostet wurde es von der Kantonspolizei. Es zeigte Herberts demoliertes Auto im Strassengraben und trug die lakonische Beschreibung: «Selbstunfall – Gaffer hantiert am Mobiltelefon und verliert die Kontrolle über sein Fahrzeug.»
Der Autor wünscht allen unfallfreie Sommerferien und ein Auge fürs Schöne.