Stefan Müller-Altermatt / Anzeiger Thal Gäu Olten
Stefan Müller-Altermatt auf dem Spielplatz beim Schulhaus Herbetswil: «In meiner Amtszeit sind junge Familien zugezogen, es entstanden Familientreff und Spielgruppe.»

«Die Gemeinde muss einen Mehrwert liefern»

Sommerinterviews (II): Stefan Müller-Altermatt, seit 2009 Gemeindepräsident von Herbetswil

In seiner 16-jährigen Amtszeit habe Herbetswil eine demografische Talsohle durchschritten, sagt Stefan Müller-Altermatt. «Schön, dass ich in dieser Umbruchphase Gemeindepräsident sein durfte.» Es sei ihm nie um Politik gegangen sondern stets darum, Projekte zu realisieren und sein Dorf weiterzubringen.

Nach 16 Jahren im Amt hören Sie Ende Juli auf. Was überwiegt: Das lachende oder das weinende Auge? Und warum?
Im Moment fühlt es sich gut an. Das lachende Auge überwiegt, weil ich denke, mein Bestes gegeben zu haben für die Gemeinde. Der Zeitpunkt stimmt.

Was werden Sie nach Ihrer Amtszeit am meisten vermissen?
Sicherlich die Gestaltungsmöglichkeiten, die ich hatte. Ich konnte eine Vision, eine Strategie meiner Gemeinde entwickeln und versuchen, diese umzusetzen. Ich konnte Probleme benennen und Lösungen suchen. Diese Möglichkeiten werden mir wohl schon fehlen.

Und was wird Ihnen überhaupt nicht fehlen?
Die fürchterlichen Terminprobleme. Die Termine auf der Gemeinde mit dem Nationalratsmandat und den sonstigen Ämtern und Aufgaben zu vereinbaren und dabei noch Raum für die Familie zu finden, war sehr schwierig.

Wie hat sich «Ihr» Dorf in diesen 16 Jahren entwickelt?
Es hat eine demografische Talsohle durchschritten. 2017 hatten wir einen Tiefststand mit nur noch 535 Einwohnern, jetzt sind es wieder etwa 610. Es sind junge Familien zugezogen, es hat viele Kinder, es entstanden Familientreff und Spielgruppe. Es ist schön, dass ich in dieser Umbruchphase Gemeindepräsident sein durfte.

Welche Begegnungen bleiben rückblickend am meisten haften?
Die Vergangenheit, unsere Geschichte, fasziniert mich. Deshalb haben mich die Geschichten, die ich an den Geburtstagsbesuchen von den Jubilaren vernommen habe, schon sehr fasziniert. Oder auch die Begegnungen mit Menschen aus Übersee, die auf der Suche nach ihren Wurzeln bei mir angeklopft haben, weil sie sich für das Dorf interessierten, aus dem ihre Vorfahren ausgewandert sind.

Würden Sie rückblickend irgendetwas anders machen, was Entscheidungen und/ oder Amtsführung betrifft?
Das ist zum Glück eine hinfällige Frage, über die ich mir ehrlich gesagt den Kopf nicht zerbrechen möchte. Was ich meinem Ich vor 16 Jahren sagen würde, wäre: «Mach dir nicht so viele Sorgen! – da wird sich vieles von alleine lösen.» Das «von alleine» war in unserem Fall vor allem die Demografie, die für mehr Kinder, mehr Einwohner, mehr Steuereinnahmen sorgte und viele Probleme gelöst hat.

Ihr schönster Moment während der Amtszeit?
Der Moment, als das heikelste Unterfangen meiner Amtszeit ein gutes Ende fand. Wir hatten von der Gemeinde her eine Abbruchliegenschaft im Dorfkern gekauft und ins Blaue hinaus ein Mehrfamilienhaus- Projekt in Auftrag gegeben. Als dann ein Investor zusagte, er werde das Projekt realisieren, war ich schon unheimlich erleichtert. Die gezielte Wohnraumförderung hat funktioniert.

Der grösste politische Erfolg?
Es ging mir als Gemeindepräsident nie um Politik. Es ging darum, Projekte zu realisieren und die Gemeinde weiterzubringen. Und diesbezüglich war die Realisierung des Wärmeverbundes, dem heute stolze 54 Liegenschaften angeschlossen sind, schon der grösste Erfolg. Und auch über die revitalisierte Dünnern freue ich mich sehr.

Der grösste Misserfolg im Amt?
Eigentlich wollten wir beim angesprochenen Mehrfamilienhaus-Projekt auch einen Dorfladen realisieren. Das gelang leider nicht. Ich muss eingestehen, dass unser Dorf für viele öffentliche Dienstleistungen einfach zu klein ist.

Es gab bestimmt auch traurige Momente während Ihrer Amtszeit?
Der traurigste Moment war sicher der, als im Dorf ein ganzer Bauernhof mitsamt Vieh abgebrannt ist. Schicksalsschläge der Einwohnerinnen und Einwohner beschäftigen einem halt in einem kleinen Dorf immer.

Ist nun ab August ganz Schluss mit Politik und Ämtern?
Natürlich nicht. In Bundesbern geht es weiter. In Herbetswil bleibe ich Präsident der Genossenschaft zum Wärmeverbund und Inventurbeamter – ein typisches Amt für Altgediente.

Gibt es einen Rat, den Sie Ihrem Nachfolger in Herbetswil, Mirco Saner, mit auf den Weg geben?
Ich würde mich hüten, ihm neunmalkluge Ratschläge zu geben. Ziemlich klar ist in der Zeit, in der komplexe Aufgaben oft nur noch über Zweckverbände oder Fusionen gelöst werden können, dass unsere kleine Gemeinde ihre Existenzberechtigung verliert, wenn sie nur noch eine blosse Verwaltungseinheit ist. Sie muss einen Mehrwert für die Bevölkerung liefern, eben indem sie gute Projekte realisiert und für die Menschen da ist. Ich wünsche meinem Nachfolger, dass ihm das gelingt.

Text: NIK & Bild: ALA