Heute hat Marcel Allemann seinen allerletzten Arbeitstag als Gemeindepräsident von Matzendorf. «Ich werde alles vermissen, es wird mir aber auch an nichts fehlen», gibt er Einblick in seine Gefühlswelt. Explizit dankt er nicht nur seinen Unterstützern, sondern auch den Kritikerinnen und Kritikern während der zwölfjährigen Amtszeit. Langweilig werden wird es dem 56-Jährigen nicht.
Nach zwölf Jahren im Amt hören Sie Ende Juli auf. Was überwiegt: Das lachende oder das weinende Auge?
Ich blicke mit einem lachenden Auge in die Zukunft, voller Vorfreude auf neue Aufgaben und Möglichkeiten. Gleichzeitig begleitet mich ein tränendes Auge, wenn ich an all die gemeinsamen Erlebnisse und die Menschen denke, die mich in der Vergangenheit geprägt haben. Ich hatte nie Idole – aber ich habe grosse Achtung vor starken Handlungen. Sie sind meine wahren Vorbilder. Es braucht Menschen, um diese Taten zu verwirklichen. Menschen, die Verantwortung übernehmen, entscheiden, umsetzen, Ideen einbringen und mittragen.
Ich war nicht Everybody’s Darling – das will ich auch gar nicht sein. Mein Dank gilt nicht nur den Unterstützerinnen und Unterstützern, sondern auch den Kritikerinnen und Kritikern. Sie haben mich gefordert, gefördert – und stärker gemacht.
Was werden Sie nach Ihrer Amtszeit am meisten vermissen? Und was wird Ihnen überhaupt nicht fehlen?
Ich werde alles vermissen und es wird mir aber auch an nichts fehlen. Ich durfte mich persönlich und fachlich weiterentwickeln. Ich darf ja in verschiedenen Mandaten – zwar in einer anderen Richtung – weiterarbeiten, und das ist es, was mir gefällt. Nicht nur in meinem angestammten beruflichen Umfeld Herausforderungen meistern, sondern auch in anderen Bereichen Erfolge und Misserfolge feiern respektive meistern.
Wie hat sich «Ihr» Dorf in diesen zwölf Jahren entwickelt?
Wir haben fast kein Bauland mehr, wir sind qualitativ gewachsen, das Dorf ist überregional bekannt, sogar im Schweizer Fernsehen. Wir haben nach wie vor viele Einkaufsmöglichkeiten inklusive Post. Matzendorf prosperiert.
Welche Begegnungen bleiben rückblickend am meisten haften?
Am eindrücklichsten war die Umweltkatastrophe im Sommer 2024. Wie schnell solch eine Gefahr Matzendorf treffen kann – zum Glück ist kein Mensch zu Schaden gekommen. Beeindruckt hat mich aber dann auch, wie wir alle, also Feuerwehr, Zivilschutz, Werkhof, Dienstleistungsunternehmen und die ganze Bevölkerung von Matzendorf diese schlimme Sache zusammen gemeistert haben. Ich war natürlich auch im Element, denn bei Krisen, Belastungen blühe ich so richtig auf. Endlich durfte ich als ehemaliger Bataillonskommandant wieder mal Krisen- und Lagerapporte führen, da kann ich jeweils mit dem eigenen grossen Erfahrungsschatz aus dem Vollen schöpfen. Ganz generell sind alle Eindrücke haften geblieben, in deren Rahmen wir gemeinsam etwas geschaffen haben.
Würden Sie rückblickend irgendetwas anders machen, was Entscheidungen und/ oder Amtsführung betrifft?
Nein, ich würde es genau gleich machen. Und wenn ich ehrlich bin – eigentlich, wenn ich alles gewusst hätte, «hätti no viu blöder ta». Vielleicht hätte ich noch mehr unkonventionelle Ideen umgesetzt, die Sitzungen aus dem Gemeindehaus rausgeholt und öfter mal die Gemeindeversammlung auf den Brunnersberg oder sonst wohin verlegt, dorthin, wo die Aussicht und der Dialog gleichermassen inspirieren.
Ihr schönster Moment während der Amtszeit?
Jede Begegnung mit Menschen, und wie erwähnt: gemeinsame Werke. Vor allem erinnere ich mich auch gerne an die Momente, in denen ich gespürt habe, dass die Arbeit des Gemeinderates und von Verwaltung und Werkhof geschätzt wurde.
Der grösste politische Erfolg?
Die Gemeinde Matzendorf hat heute ein Gesicht. Es ist uns in meiner Amtszeit gelungen, die Pro-Kopf-Verschuldung von 5000 auf 1500 Franken runterzudrücken. Ich denke auch, dass wir zielorientiert, mit einer gewissen Grundordnung, arbeiten. Das gilt sowohl für die Verwaltung als auch für den Gemeinderat. Wir durften auch eine neue Turnhalle einweihen. Dass Andreas Fluri mit der Kulturkommission so toll performt, ich denke da an den Flohmarkt, das Openairkino, Vorlesungen und vieles mehr, macht grosse Freude. Regional kommt mir die Weiterentwicklung der Feuerwehr Mittelthal in den Sinn, auch die Gründung des Zweckverbandes Schule hinteresThal.
Mein Motto lautet stets: Wer morgens sein Bett macht, startet erfolgreich in den Tag. Es ist eine kleine Geste, die Ordnung schafft, Disziplin zeigt – und ein erstes Erfolgserlebnis bietet. Auch in einem Dorf – in unserer Gemeinde – braucht es diese Grundordnung. Sie ist nicht starr, sondern schafft Stabilität. In der Dorfpolitik zum Beispiel: Klare Abläufe, gegenseitigen Respekt, das Ernstnehmen von Verantwortung – das sind unsere «gemachten Betten». Sie geben Halt, auch wenn es mal unruhig wird. Wer die Grundlagen pflegt, kann auch mutig Neues anpacken.
Der grösste Misserfolg im Amt?
Es gab keine Misserfolge, weil schlussendlich das Volk entscheidet und uns das Geld für unsere Leistungen zahlt. Schade ist höchstens, dass sich in einer solch tollen Gemeinde nicht mindestens fünf Kandidierende für meine Nachfolge beworben haben.
Es gab bestimmt auch traurige Momente während Ihrer Amtszeit?
Jeder Abschied von jemandem aus dem Dorf hat mich berührt. Und der Bergsturz von Bondo, wo leider eine Matzendorferin tödlich verunglückt ist, beschäftigt mich noch heute.
Ist nun ab August ganz Schluss mit Politik und Ämtern?
Ich höre nach zwölf Jahren mit viel Kraft auf. Ich bin nicht müde, sondern bereit für einen neuen Aufbruch. Politisch sage ich mal, ich mache ein Sabbatical. Was meine Mandate betrifft, so führe ich das Verwaltungsratspräsidium des Anzeigers TGO sowie das VR-Mandat bei der Kenova weiter. Interessante Arbeiten in Verwaltungsräten oder Vorständen reizen mich, dafür habe ich mich in den letzten Jahren auch weitergebildet.
Gibt es einen Rat, den Sie Ihrem Nachfolger in Matzendorf mit auf den Weg geben?
Die Zusammenarbeit mit dem hinteren Thal vorantreiben und das Geschäftsführungsmodell Gemeinde anstreben. Es gilt stets daran zu denken, dass alles, was wir heute tun, entscheiden und weiterentwickeln, für unsere Nachkommen getan wird und nicht für uns im Hier und Jetzt. Matzendorf ist eine Perle, die es verdient, wenn man Kraft und Willen dafür einsetzt. Ein Dorf lebt vom Milizsystem. Es ist unsere grosse Stärke. Lasst uns diese bewahren, pflegen und weiterentwickeln. Denn es braucht jede und jeden: in der Verwaltung, im Werkhof, im Gemeinderat, in den Schulen, in den Kommissionen – und im Alltag. Gemeinsam sind wir stark – im Dorf, in der Region, in der Schweiz. Matzendorf ist bereit für neue Kräfte, neue Ideen und neue Wege. Ein grosses Dankeschön an alle für das Vergangene, für das Jetzt und für die Zukunft! Ich bin Matzendorfer, ich bin Thaler. Für immer!