Mit spitzer Feder

Tanja Baumberger

1991 kam ich als 21-Jährige in die Niederlande – emigriert, Ausländerin. Und staunte: Menschen sprachen mich einfach so an! Offen, freundlich, ohne Hintergedanken. Der Gemüsehändler übte bei jedem Einkauf ein neues Wort mit mir. Ein schlichtes «Hallo» war hier keine Einladung, sondern echte Freundlichkeit.

Abends in der Bar das gleiche Bild: Man redete miteinander – Männer, Frauen, alt, jung. In der Schweiz war ich anderes gewohnt. Da wurde eher geschaut als gesprochen.

Alle Ausländer – ob aus den USA, Polen oder Deutschland – mussten zuerst drei Monate in den Sprachkurs. So auch ich. Manche lernten schnell, andere langsamer. Da wurde mir klar: Sprache ist mehr als Grammatik. Sie ist der Schlüssel zur Welt.

Ein «Ja» in Japan kann bedeuten: «Ich habe dich gehört», aber nicht zwingend Zustimmung. Wer zwischen den Zeilen liest, versteht mehr. Auch bei uns: Ein «Merci» kann warm klingen – oder eiskalt.

In den Niederlanden lernte ich: Sprache ist Brücke, nicht Schutzwall. Freundlichkeit ist keine Taktik, sondern Haltung. Und oft sagt das Ungesagte mehr als tausend Worte.

Liebe Schweiz: traut euch! Ein ehrliches «Hoi», ein kleiner Schwatz – öffnet Herzen. Einsamkeit ist eine stille Krankheit, die wir gemeinsam lindern können.

Und an alle Ausländerinnen und Ausländer: Lernt Deutsch – mit Freude. Es ist die Sprache der Dichter und Denker. Und der Begegnung. Auch für eure Kinder – denn Bildung braucht Sprache. Selbst Rechnen gelingt irgendwann nicht mehr ohne sie.