Dass just der Niederbuchsiter Langzeit- Gemeindepräsident Markus Zeltner nach 28 Jahren noch einige Monate länger im Amt verweilen darf, ist eine neckische Geschichte. Denn bei aller Vorfreude beim Gedanken an künftige freie Sommerabende gibt sich der 65-Jährige keinen Illusionen hin: Der definitive Abschied ist für ihn mit reichlich Wehmut verbunden.
Nach 28 Jahren im Amt hören Sie in einigen Wochen auf. Was überwiegt: Das lachende oder das weinende Auge? Und warum?
Die Wahl meiner Nachfolge wird Ende September definitiv feststehen. So darf ich das Amt noch etwas auskosten. Es wird ein Abschied, der mich bewegt, nicht nur, weil eine schöne Zeit endet, sondern weil ich viele Kontakte vermissen werde. So spüre ich Freude über die Zeit, die vor mir liegt und zugleich Wehmut beim Gedanken daran, was ich hinter mir lasse.
Was werden Sie nach Ihrer Amtszeit am meisten vermissen?
Am Montagmorgen in der Gemeindeverwaltung die Mitarbeiterinnen zu treffen, nach vielen Gesprächen die Lage der Gemeinde zu kennen und dann am Mittag zufrieden heimkehren, ist schon ein gutes Gefühl. Aber auch die Seniorenfahrten zu begleiten, fröhliche Gesichter zu sehen und interessante Gespräche zu führen. Und auch die Jungbürger in den Staatenbund aufzunehmen, die fantastische Dorfchronik abzugeben und einen schönen Abend mit ihnen zu verbringen. Und da war noch so vieles mehr, das dieses Amt so besonders gemacht hat.
Und was wird Ihnen überhaupt nicht fehlen?
Die zahlreichen Sitzungen an sonnigen Sommerabenden, wenn ich stattdessen gerne Zeit mit der Familie oder Freunden verbracht hätte. Diese Verpflichtungen, so wichtig sie auch waren, waren oft auch mit persönlichem Verzicht verbunden. An solchen Abenden wurde mir auch bewusst, wie sehr das Amt in das private Leben hineinwirkte.
Wie hat sich «Ihr» Dorf in diesen 28 Jahren entwickelt?
Während meiner Amtszeit hat unsere Gemeinde sich vom Bauerndorf zur schönen Wohngemeinde entwickelt. Die Einwohnerzahl ist von rund 900 auf 1350 Personen gewachsen. Damit verbunden waren etliche Herausforderungen. Eine, die wir täglich verspüren, ist die grosse Zunahme des Strassenverkehrs. Die Mobilität hat stark zugenommen und das Wachstum und die Logistik im Gäu erfordern neue Lösungen.
Die Organisation der Gemeinde wurde laufend an die neuen Bedürfnisse angepasst. So beinhaltete die Verwaltung bei meinem Amtsantritt zwei nebenamtliche Teilzeitstellen (Gemeindeschreiberin 30 Prozent und Finanzverwalterin 70 Prozent), die noch vor jeder Legislatur an der Urne gewählt wurden. Heute haben wir eine moderne, professionalisierte Gemeindeverwaltung mit sechs Teilzeitangestellten mit einem 300-Prozent-Pensum. Die Baukommission wurde abgeschafft und eine Bauverwaltung eingesetzt. Die Werke wurden in einer Kommission zusammengefasst und durch Ruedi Kissling ausgezeichnet geführt. Die Infrastruktur wurde Schritt für Schritt saniert und an die Bedürfnisse angepasst. Dies mit der guten Dorfstrasse, den schönen Dorfplätzen, der Abfallstelle, dem Friedhof und den öffentlichen Gebäuden. Aber auch die Werke Wasser und Abwasser sind auf einem sehr guten Stand. Bedingt durch die grossen Herausforderungen in der Stromversorgung wurden diese in eine öffentlich-rechtliche Gesellschaft, die ENI, ausgelagert. Es kamen aber auch neue Kommissionen hinzu, welche sich aktiv mit dem kulturellen Dorfleben und den Bedürfnissen vom Alter und der Gesellschaft annehmen.
Zwei umfassende Ortsplanungen prägten die Amtszeit. Als national geschützte ISOS-Gemeinde und mit dem neuen Raumplanungsgesetz wurden die Möglichkeiten der räumlichen Entwicklungen sehr eingeschränkt. Das Dorf konnte aber seinen ländlichen Charakter beibehalten und eine sehr gute Lebensqualität bieten. Neben der bestens bekannten Firma JURA konnte auch eine solide Gewerbezone aufgebaut werden.
Die Schule hat sich in den vergangenen Jahren auch stark verändert. Waren bei meinem Amtsantritt noch fünf Lehrkräfte an der Schule, stehen heute rund 20 Personen im Einsatz. Dies erforderte auch eine stärkere Führung mit geleiteten Schulen. So wurde anstelle der Schulkommission eine professionelle Schulleitung eingesetzt. Durch interne und externe Evaluationen wird die Bildungsqualität stetig verbessert. Die digitale Welt hat auch hier Einzug gehalten, so werden den Schülerinnen und Schülern nebst Lehrmitteln auch iPads abgegeben. Mit konsequenter und strikter Finanzführung konnten die Steuern von anfangs 140 Prozent auf 107 Prozent gesenkt und ein solides Finanzvermögen aufgebaut werden, das der Gemeinde heute Stabilität verleiht. Die Ausgaben, insbesondere in den Bereichen Bildung, Soziales und Gesundheit, steigen jedoch laufend. Dies auch durch permanent neue Vorgaben und Gesetze sowie die Aufgabenverteilung zwischen Kanton und Gemeinden. Eine grosse Herausforderung für alle Gemeinden, welche auch uns fordert.
Welche Begegnungen bleiben rückblickend am meisten haften?
Der mehrfach erfolgreiche Grand-Slam- Sieger und bekannteste Schweizer Tennisspieler aller Zeiten – unser Tennisstar Roger Federer – ist Markenbotschafter des Kaffeeprofis JURA. Mit seiner natürlichen Art und charismatischen Ausstrahlung hinterlässt er bei seinen Besuchen in der JURAworld of Coffee stets einen bleibenden Eindruck.
Würden Sie rückblickend irgendetwas anders machen, was Entscheidungen und/ oder Amtsführung betrifft?
Ich würde vieles wieder gleich machen, jedoch die Professionalisierung und Stärkung der Verwaltung früher angehen. Diese ist heute die Stütze der Gemeinde und die Mitarbeitenden machen einen super Job. Heute fände ich es auch sinnvoll, dass die Gemeinde die ehemalige Liegenschaft der GAG in der Stapfenmatt selbst erworben und einer passenden Nutzung übertragen hätte.
Ihr schönster Moment während der Amtszeit?
Davon gibt es natürlich viele! Die Einweihung des Trio Schulhauses, Dorfplatz und Abfallstelle mit Regierungsrätin Sandra Kolly, vielen Gästen aus Nah und Fern und unserer Dorfbevölkerung war ein toller Moment. Wir durften unser Bijou allen Interessierten zeigen und sind heute noch stolz auf die schöne, zweckmässige Infrastruktur. Die Erweiterung und Sanierung des Schulhauses hat die kantonale Auszeichnung, auch als «Priisnagel » bekannt, erhalten.
Der grösste politische Erfolg?
Vor meiner präsidialen Zeit gab es die beiden Parteien der FdP und CVP (heute Die Mitte). Vor Gemeinderatssitzungen wurden noch Fraktionssitzungen abgehalten, um politische Entscheide durchzusetzen. In den Gemeinden benötigt es jedoch rasch und einfach umsetzbare Sachentscheide. Die gewählten Vertreter aus der Bevölkerung entscheiden im Gemeinderat frei nach Kriterien ihrer Überzeugung und so im Sinne der Mehrheit der Gemeinde und nicht einer politischen Gruppe. Da keine politischen Aktivitäten mehr geführt wurden, haben sich die Mitglieder des Gemeinderates später zur Freien Liste formiert. Ab 2019 wurde durch eine kleine Gruppe die SVP gegründet, sie ist seit 2021 mit einem Mitglied im Gemeinderat vertreten. Aber auch hier mit klaren Sachentscheiden und bisher keiner Parteipolitik.
Der grösste Misserfolg im Amt?
Ein einziger negativer Entscheid aus meiner Amtszeit ist mir bis heute als Wermutstropfen geblieben: Das geplante Geschäfts- und Wohnhaus auf dem Areal des ehemaligen Gasthauses Linde hätte unserer Gemeinde viel bieten können – einen Dorfladen, ein Café und vor allem altersgerechte Wohnungen an zentraler Lage, direkt beim öffentlichen Verkehr. Die Gemeindeversammlung sah dieses Projekt jedoch nicht als Aufgabe der Gemeinde und lehnte es ab. Rückblickend war es wohl eine verpasste Chance, bezahlbaren Wohnraum im Alter mit sozialem Treffpunkt zu verbinden und so das Dorfleben zu stärken.
Es gab bestimmt auch traurige Momente während Ihrer Amtszeit?
Während meiner langen Amtszeit durfte ich viele geschätzte Mitglieder der Behörden und der Verwaltung verabschieden. Manche hätte ich gerne noch etwas länger an meiner Seite gewusst. Gleichzeitig war es stets bereichernd, neue Persönlichkeiten kennenzulernen und mit frischen Kräften zusammenzuarbeiten.
Ist nun ganz Schluss mit Politik und Ämtern?
Mit dem politischen Engagement ist Schluss – nicht jedoch mit dem fachlichen. In der Führung der Elektra Niederbuchsiten (ENI) stehen wir derzeit mitten in der Übergabe der Betriebsorganisation von der IB Langenthal zur Primeo Energie AG in Münchenstein. Die Energieversorgung bringt weiterhin bedeutende Herausforderungen mit sich – und ich freue mich darauf, diese auch künftig mitzugestalten. An der Schulabschlussfeier wurde mir zudem von den Schülerinnen und Schülern der lebenslange Eintritt ins Schulhaus überreicht. Diese Herausforderung würde mir sicher auch Spass machen.
Gibt es einen Rat, den Sie Ihrem Nachfolger in Niederbuchsiten mit auf den Weg geben?
Mein Nachfolger ist erfahren und braucht eigentlich keine Tipps. Aber eines gilt immer: Zuhören, offen kommunizieren, Entscheidungen mittragen und mit Weitblick handeln – das hat sich für mich stets bewährt.