Am Anfang war die Idee eines Adventskalenders für ganz Aedermannsdorf bei ihr daheim. Nun hat Claudia Rubitschung auch eine Spendenaktion ins Leben gerufen: «Mitenang, fürenang, zämme». Der Erlös soll primär Menschen mit einer Behinderung zugutekommen. Aber eigentlich will die Initiantin noch viel mehr: Die Menschen sollen sich wieder begegnen, einander helfen. «Sie sollen wieder ins Tun kommen für die Gemeinschaft.»
Gleich mehrere Themen waren Auslöser für die nicht alltägliche Aktion. Erstens sind in Aedermannsdorf dieses Jahr keine Adventsfenster mehr zu besichtigen, weil sich schlicht zu wenig Interessierte fanden. Zweitens war Claudia Rubitschung sowieso auf der Suche für Inspirationen für ihren eigenen Adventskalender auf Instagram. Vor allem aber berührte sie die Aussage von Schauspieler Francisco Medina, im Internetzeitalter würden sich alle nur noch in den eigenen vier Wänden aufhalten, man begegne sich laut Statistik 75 Prozent weniger oft persönlich als früher. «Dieser Satz hat mich enorm beschäftigt», sagt sie. Schliesslich könne die Flucht in Onlinewelten menschliche Begegnungen niemals ersetzen.
Und so machte die Umtriebige aus der Not eine Tugend, frei nach dem Motto: Sei du selbst die Veränderung, die du sehen willst, statt zu versuchen, andere zu ändern. «Also beschloss ich, gleich den Adventskalender fürs ganze Dorf zu machen – und ermögliche so das Zusammensein und Begegnungen auch in der dunkleren Jahreszeit.»
Süssigkeiten, Seelentröster und Inspirationen
Im Briefkasten an der Hardstrasse 282 werden während der Adventszeit täglich Süssigkeiten und andere «Seelentrösterchen » zu finden sein. Dazu gibts von der Fachfrau für emotionale Persönlichkeitsentwicklung mit Praxis zuhause auch eine tägliche kleine Inspiration. Viermal während der Adventszeit, immer dienstags, laden sie und ihr Mann sowie Freunde und Bekannte zudem am Abend zum Miteinander in ihren Garten und ans Feuer ein. Lebkuchen und Häxepunsch und idealerweise Diskussionen über Gott und die Welt gibts kostenlos, für Kaffee und Tee und ab dem zweiten Punsch werden die Gäste fünf bis sieben Franken zu bezahlen haben – aus sehr gutem Grund und für einen überaus guten Zweck. Denn Claudia Rubitschungs Projekt mit dem Namen «Mitenang, fürenang, zämme» hat im Laufe der letzten paar Wochen eine wunderbare Dynamik angenommen und ist längst zur Spendenaktion geworden, die aus der Sicht der Initiantin gerne über die Dorfgrenze hinaus leuchten darf: Sie sammelt Geld für ein Wintersportlager für Menschen mit einer Behinderung. Vom Erlös soll der Freizeit- und Bildungsklub Region Thal- Gäu profitieren – mindestens ein Vertreter oder eine Vertreterin des Vereins wird an diesen Dienstagen am Lagerfeuer ebenfalls anwesend sein.
Obwohl der Verein sehr aktiv ist und erst kürzlich vom Kanton mit einem Anerkennungspreis ausgezeichnet wurde, sei sein Bekanntheitsgrad noch viel zu gering, sagt sie. Das Lager nächstes Jahr in Saasgrund kostet über 35 000 Franken. Ein Drittel dieser Summe möchte sie mit ihrer Aktion beitragen. Das sei sehr ambitiös und ein unvernünftig hohes Ziel, hat die 49-Jährige schon zu hören gekriegt. «Solche Rückmeldungen spornen mich zusätzlich an», erwidert sie mit ebenso entwaffnendem wie ansteckendem Lachen.
Ins Tun kommen für die Gemeinschaft
Deshalb die Spende für Glühwein, Kaffe und Tee bei Rubitschungs oder gleich via Direkteinzahlung auf das entsprechende Konto. Mit ihrer Aktion will sie die Bevölkerung aufrütteln, ins Tun zu kommen für die Gemeinschaft und auf diese Weise auch gleich das eigene Wohlbefinden zu steigern. Sie und ihr Mann, erzählt sie, lebten das Motto ihrer Aktion schon immer und würden wenn möglich Kunden, Freunde und Bekannte berücksichtigen und weiterempfehlen. Die Fachfrau weiss aber auch: Promis mit Glanz und Statussymbol werden schnell mal bewundert und wollen kopiert werden. «Aber wehe, Menschen aus unserem Umfeld wagen etwas Neues, die Selbstständigkeit oder ein kreatives Projekt, dann weht ihnen oft Skepsis oder sogar Ablehnung ins Gesicht.» Es sei psychologisch erwiesen, dass man sich mit dem Normalo eher vergleiche und dessen Mut einem – oft unbewusst – zeige, wo man selbst zögere. «Deshalb ist es einfacher, einen Star anzuhimmeln, als jemanden zu unterstützen, den wir kennen.»
Sich selbst an der Nase nehmen
Die Absicht ihrer Spendenaktion geht deshalb über die Unterstützung des Freizeit- und Bildungsklubs hinaus. «Schön wäre es doch, wenn die Leute im Rahmen meiner Aktion sich selbst an der Nase nehmen und in Eigenregie etwas auf die Beine stellen würden», verleiht sie ihrer Hoffnung Ausdruck. Sprich: Mal einen Kuchen backen, den Nachbarn auf einen Kaffee einladen oder miteinander statt alleine spazieren gehen. Geht es nach ihrem Willen, sollen die Menschen wieder ins Erleben kommen und sollen sie sich wieder vermehrt begegnen. «Wir haben es doch alle in der Hand, die dunklen Tage ein wenig heller zu machen», sagt sie. «Wenn dabei noch eine Spende für einen guten Zweck herausspringt: wunderbar und umso besser!» Claudia Rubitschung wünscht sich deshalb nicht «nur» Geldspenden, sondern besagte Geschichten. Sie möchte im Advent beim «Läbchuechehüsli » und am Lagerfeuer erzählt bekommen, wie Ideen und Spenden konkret umgesetzt wurden, um «Mitenang, fürenang, zämme» zu unterstützen.
Plädoyer für herzliche Begegnungen
«Einsamkeit ist ein grosses Thema. Es ist an uns allen, füreinander da zu sein», sagt Claudia Rubitschung. Und dies nicht bloss bei einer Naturkatastrophe, sondern jederzeit und in der Region. Sie sieht ihre Initiative als Gegenbewegung um zu erleben und zu spüren, wie wunderbar bereichernd herzliche Begegnungen sein können. Kleine Gesten könnten Grosses bewirken. Für ein Miteinander, das trägt und ein Füreinander, das stärkt. Und für ein Zusammen, das verbindet. Getreu ihrem Motto eben.
Die Initiantin strahlt übers ganze Gesicht. «Es gibt Märchen. Und es gibt Visionen, die wahr werden. Wenn viele Menschen mitmachen.» Jeder, wirklich jeder Franken zähle.
«Mitenang, fürenang, zämme», am 2./9./16. und 23. Dezember, jeweils von 17.30 bis 19.30 Uhr bei Claudia und Rolf Rubitschung, Praxis Bewirke Veränderungen, Hardstrasse 282, Aedermannsdorf. Öffentliche Parkplätze gibts an der Kirchstrasse oder beim Schulhaus. Infos/Spende: IBAN CH85 0833 4512 8095 02010 2
Täglich Infos und QR-Code zum Twinten auf Instagram unter bewirke.coaching oder im WhatsApp-Status via Tel. 079 275 44 46.
Erlös für Freizeit- und Bildungsklub Region Thal-Gäu
Den Erlös ihrer Spendenaktion «Mitenang, fürenang, zämme» wird Claudia Rubitschung dem Freizeit- und Bildungsklub Region Thal-Gäu zukommen lassen. Dieser setzt sich seit 43 Jahren dafür ein, dass auch erwachsene Menschen mit einer Beeinträchtigung an alltäglichen Aktivitäten teilnehmen können. Die selbstständige, unabhängige Organisation fördert die Freizeitgestaltung und Weiterbildung für Menschen aus Thal und Gäu sowie angrenzenden Regionen mit besonders schwierigen Lernvoraussetzungen oder Behinderung.
Der von Heinz Büttler präsidierte Verein hält Angebote in drei Sparten bereit:
• 3 Ferienwochen pro Jahr (Freizeitklub);
• rund 20 Freizeit-Anlässe pro Jahr, jeweils am Donnerstagabend und Samstag (Freizeitklub);
• jährlich ungefähr 15 verschiedene Bildungskurse (Bildungsklub).
Die Teilnehmenden entrichten keinen Jahresbeitrag und können sich bei jeder Aktivität entscheiden, ob sie teilnehmen wollen oder nicht. Sie wohnen in Wohnheimen, teilbetreutem Wohnen, bei Eltern/ Verwandten oder selbstständig. Ihre grosse und ehrliche Begeisterung ist für den weitgehend ehrenamtlich engagierten Betreuerstab der wertvolle Lohn für die sehr arbeitsintensiven Zeiten.
