Seit die Daten des US-amerikanisch kontrollierten GPS-Systems in entsprechender Genauigkeit öffentlich verfügbar sind, also seit rund 25 Jahren, hat sich eine weltumspannende Bewegung entwickelt: Das Geocaching. Für unsere Sommerserie haben wir uns in und um Olten auf die Suche nach sogenannten Caches gemacht, begleitet von «Thai-Tuktuk», der mit richtigem Namen René Ernst heisst.
Der Blick aus dem Bürofenster in Olten zeigt unter anderem die Aarebrücke, den Bahnhof, den Engelberg – und rechts unten die Skulptur «Remonte». Soweit so normal. Doch das Pferd mit dem aufsteigenden Reiter ist auch Standort eines Geocache, einem «Tradi», wie die Insider sagen, was bedeutet: Es ist ein Cache «an den angegebenen Koordinaten». Und damit Teil der weltweiten Bewegung «Geocaching».
Thai-Tuktuk lautet sein Benutzername, was allerdings nichts mit seiner Herkunft zu tun hat. René Ernst ist gebürtiger Oltner, wohnhaft in Wangen, Vater von zwei Söhnen und einer Tochter, von Beruf Werkstoffprüfer in Rothrist. Daneben betreibt der 62-Jährige zwei aussergewöhnliche Hobbies. Er besitzt ein thailändisches Tuktuk (ein dreirädriges Kleinfahrzeug für Personentransport), das man mit ihm als Fahrer mieten kann. Und er ist Geocacher, mit 10700 gefundenen Caches ein äusserst routinierter. Man kennt Thai-Tuktuk in der Szene…
Nach einigen Handgriffen streckt René Ernst die Zigarillodose entgegen. Der Cache selber ist unspektakulär, in einem kleinen Logbüchlein hat man sich als Finder einzutragen und gleichzeitig auf der App den Fund im eigenen Konto mit einem Textkommentar zu erfassen. Zwecks eigener Statistik, aber auch als Dank, Lob und Motivation für jenen Cacher, der diese Box ausgelegt hat.
Seit 2011 ist René Ernst als Geocacher unterwegs. Zufälligerweise sei er zu dieser Aktivität gestossen, erzählt er. «Ich habe mit meiner Tochter im Tessin eine Burgruine besucht, und da waren zwei Geocacher. Als ich mich erkundigte, haben sie mir erklärt, wie das funktioniert.» Da hat es ihm den Ärmel reingezogen, und wie. Zunächst ging er mit dem Auto-Navi auf Cache-Suche später, als die Handys mit GPS-Empfänger ausgerüstet waren, mit dem Mobiltelefon. «Eigentlich war ich schon Geocacher, bevor ich Geocaching kannte. Schon mein Vater war immer darauf bedacht, wieder etwas Neues zu entdecken.»
Geocaching ist eine technische Angelegenheit, allerdings gut verständlich und dokumentiert. Nebst einem GPS-Gerät, heutzutage üblicherweise ein Handy, ist lediglich eine App erforderlich. Damit kann man sich kostenlos registrieren oder für 30 Franken Jahresbeitrag einen Premium-Service in Anspruch nehmen. Mehr braucht es für die ersten Geocaching-Schritte nicht, ausser einige Grundkenntnissen: Kartenlesen, Verständnis für die GPS-Werte, Orientierungssinn – aber auch eine gehörige Portion kreatives Mit- und Querdenken (im positiven Sinne) sind gefragt.
Die Informationen über Geocaching sprudeln bei René Ernst. «Es ist ähnlich zu einem Escape Room, aber auch zu den Foxtrails. Geocaching ist jedoch nicht kommerziell, entsprechend unterschiedlich ist dann manchmal auch die Qualität der ausgelegten Caches.» Und was für den Debütanten zunächst etwas verwirrend: Cache ist nicht gleich Cache. Aber, so René Ernst: «Wir Cacher helfen Anfängern gerne, um ihnen den Einstieg zu erleichtern.»
War der erste anvisierte Cache noch ein «Tradi» (auf dem Bildschirm mit einem grünen Symbol markiert), so führt René Ernst den Neuling nun zu einem «Multicache» (orange). Zielstrebig geht es in Richtung Zielemp, wo die «Tour d’Olten» beginnt.
Bald zeigt sich, dass der Reporter mit Kamera, Handy, Notizblock und Schreibzeug mindestens eine Hand zu wenig hat. René Ernst hingegen ist bestens vorbereitet und hat in seiner Umhängetasche die wichtigsten Gerätschaften griffbereit verstaut. Unter anderem ein kleines Tool, Magnete mit und ohne Teleskopstab, Drahtbügel, Sackmesser und Taschenlampe – allein die Ausrüstung verrät schon, wie vielfältig die Aufgaben sein können. Und übrigens auch die Caches: Wir sehen Holzkisten, Plastikdosen, aber auch PetRohlinge als Behälter. René Ernst hat zudem zwei Beispiele für Nano-Caches dabei: selbst aufgebohrte Hutmuttern mit weniger als einem Zentimeter Durchmesser.
Wir bewegen uns Teilstück um Teilstück vorwärts, lösen Rätsel und komplettieren mit den ermittelten Daten die GPS-Koordinaten des nächsten Etappenziels. Und so zählt man Tannen und Säulen oder sucht Jahrzahlen, um überhaupt weiterzukommen. Nebenbei gibts noch einen Cache bei der Stadtkirche zu finden – offenbar wissen inzwischen auch die Randständigen Bescheid und leisten gerne Hilfe (gerne auch gegen flüssiges Honorar…)
Für René Ernst, der selbst schon rund 50 Caches ausgelegt hat, worunter auch in der Region Gasterntal, im Tessin, auf Gran Canaria sowie in Thailand, sind diese Caches «Peanuts». Da gibt es viel Kniffligeres und Originelleres zu finden: Im Vogelhäuschen, in einem Treppentritt im Wald, in einer Garten-Modelleisenbahn oder im als Attrappe hinzugefügten Ablaufrohr eines Brünneli. Er selber hat an zwei Orten einen Cache in der alten Laterne einer Eisenbahn-Weiche versteckt – abseits eines benutzten Geleises notabene. René Ernst dementiert nicht, dass hier auch ein gewisser Spieltrieb zum Vorschein kommt, oder anders gesagt «das Kind im Manne…»
Geocaching gibt es überall, nicht nur in bewohntem Gebiet, mindestens so beliebt sind Caches im Wald. Als Beispiel wird ein derartiges Versteck in der Nähe des Altersheims Weingarten aufgesucht, in Verbindung mit einem dort beginnenden «Adventure Lab». Dies entspricht einer geführten Tour, wobei auch hier von Punkt zu Punkt Aufgaben zu lösen sind. Im Banwald folgt der Rundgang dem Vita Parcours. Wir absolvieren jedoch nicht Übungen sondern zählen Schrauben, Pfosten, Holzteile usw.
Zwar braucht es für ein Adventure Lab eine separate App, aber für Anfänger ist auch das nicht zwingend notwendig. Denn es gibt im Anzeigergebiet zig-hundert «normale» Caches zu suchen, worunter übrigens auch kindergerechte Cache-Reihen wie «die sieben Zwerge» in Egerkingen. Wer jedoch mehr will, dem eröffnet sich ein riesiges Tummelfeld, mit zusätzlichen Apps, aber auch mit verschiedenen elektronischen Hilfsmitteln für das Lösen der Rätsel.
Der Laie kommt nicht mehr aus dem Staunen heraus. So gibt es Apps, die Unterstützung bieten bei verschlüsselten Botschaften, die Masse, Volumen und Gewichte in andere Einheiten konvertieren, bei der Suche nach Primzahlen helfen oder beim Umrechnen von Temperaturen, Geschwindigkeiten, Winkeln etc. Wer gedacht hat, beim Geocaching geht es rein um das Finden einer mehr oder weniger grossen Box, der irrt gewaltig. Und je origineller, je kreativer und einzigartiger, umso enthusiastischer sind die Kommentare der Finder, umso häufiger erhalten diese das Prädikat eines «Favoriten».
«Beim Geocaching kann man auch etwas lernen», sagt René Ernst und erzählt dabei von Caches, die eine Vorbereitung zu Hause erfordern und selbst dann die Lösung und damit der Standort nicht im ersten Anlauf gefunden werden.
Mittlerweile ist der SchnupperRundgang zu Ende. Es gäbe noch eine Vielzahl weiterer Cache-Formen zu erläutern, es gäbe noch unzählige Geschichten und Fakten zum Geocaching. Wem nun beim Geocaching allerdings der Aspekt «Muskelkraft» fehlt, der sei immerhin darauf hingewiesen, dass wir mehr als 6,5 Kilometer zurückgelegt haben…