«Ihr Leben sey so heiter wie der holde Frühling und Ihre Freundschaft und Liebe an mir unsterblich wie ihre edle gute Seele Año 1844», lautet die wellenförmige Inschrift auf der Bartschale von Josef Schärmeli aus Matzendorf.

Vom Teller bis zum Tintengeschirr

Neues Nachschlagewerk beschreibt «100 typische Matzendorfer Keramiken 1798-1845»

Das neue Buch «100 typische Matzendorfer Keramiken 1798-1845», das am Samstag an einer Vernissage vorgestellt wird, ist mehr als nur ein Nachschlagewerk über die Produktepalette in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es zeigt auch auf, wie Objekte aus Steingut oder Fayence, vom Teller über den Kammhalter bis zum Tintengeschirr, mit Anerkennung und Status verbunden waren.

Eigentlich ist es ein wissenschaftliches Werk. Wer tief in die Geschichte der Fayencefabrik Matzendorf eintauchen will oder sich eingehend über Materialien, Formen, Dekors und Farben informieren will, der findet auf 276 Seiten umfassend erforschte Beiträge und wissenschaftlich fundierte Betrachtungen.

Für jene, die sich weniger mit der Materie auskennen, aber Freude haben an alter Handwerkskunst, die finden in den qualitativ hochstehenden Abbildungen einiges zu bestaunen.

Und wer letztlich wissen will, wer die beschriebenen Gegenstände erhalten oder verwendet hat, wer sie wem schenkte und was es teils auch mit den Sprüchen auf sich hat, der findet in diesem Buch etliche Episoden und Angaben zu FamilienKonstellationen, primär aus dem Thal, aber auch aus anderen Solothurner und Berner Gemeinden.

100 typische Matzendorfer Keramiken 1798-1845 / Anzeiger Thal Gäu Olten
Tintengeschirr von 1812: «Der ehemalige Ammann und Gemeindepräsident Ludwig Strähl aus Matzendorf wurde am 6. Februar 1811 zum Statthalter (Vorsitzenden) des Landgerichts Matzendorf gewählt. Das Tintengeschirr ist ein Jahr nach der Wahl entstanden. Die Rolle als Statthalter (vor der Franzosenzeit ‹Untervogt›) war die einflussreichste Aufgabe im damaligen Landgericht Matzendorf (Gemeinden Laupersdorf bis Gänsbrunnen).»

100 typische Matzendorfer Keramiken 1798-1845 / Anzeiger Thal Gäu Olten
Bartschale von 1843: «Joseph Bloch wurde am 2. September 1798 als Sohn des Metzgers Joseph Bloch, von und zu Oensingen, und der Barbara Baumgartner getauft. Die am 14. August 1837 geschlossene Ehe mit Josepha Berger blieb kinderlos. Nach Josephs Tod am 29. September 1857 wurde ein Inventar erstellt, aus dem ersichtlich ist, dass das Ehepaar Bloch-Berger eine Tochter Elisabeth adoptiert hatte.»


Das zweite grosse Keramik-Buch
Erstmals im Jahre 2000 hatte der Verein «Freunde der Matzendorfer Keramik» ein umfassendes Werk herausgegeben. Das 190-seitige Buch «200 Jahre keramische Industrie in Matzendorf und Aedermannsdorf 1798 bis 1998» hatte dem damals aktuellen Stand der Forschung entsprochen. So wurden unter anderem verschiedene Keramiken naturwissenschaftlich analysiert und aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung den entsprechenden Produktionsstätten zugeordnet.

Weil im «Nationalen Inventar der Keramik in öffentlichen Sammlungen der Schweiz», das im Jahr 2014 mit Band II den Kanton Solothurn erfasste, diese Analysen nur als Zusatzinformation und nicht als Kriterium für eine örtliche Zuweisung dienten und die bezüglich Herkunft umstrittenen Produkte mehrheitlich vor 1845 hergestellt worden waren, entschloss man sich, die Keramiken dieser Zeit noch intensiver zu studieren und zu dokumentieren.

Daraus entstand dieses Buch, das noch detaillierter die Matzendorfer Keramik aus dem ersten halben Jahrhundert charakterisiert. «Die nun vorliegende Publikation präsentiert neue Erkenntnisse und leistet so einen weiteren wichtigen Beitrag zur Solothurner Industriegeschichte», schreibt Vereinspräsident Roland Müller. «Wir ‹Freunde der Matzendorfer Keramik› sind stolz darauf, ein weiteres umfassendes Werk herausgeben zu können, das in der Keramikwelt sowohl Keramikfachleuten wie auch Laien als Nachschlagewerk dienen wird. Es ist ein weiterer wichtiger Schritt, noch Genaueres über die Geschichte und die Produkte aus den Anfängen der Manufaktur zu erfahren.» Die 100 ausgesuchten Keramiken der Produktionsphase 1798 bis 1845 stammen aus zehn nationalen Museen und einer regionalen Sammlung. Jedes Objekt wird fotografisch und zeichnerisch präsentiert, dazu gibt es umfassende Erläuterungen zur Herstellung, zu Form und Dekor sowie zum gegenwärtigen Standort.

100 typische Matzendorfer Keramiken 1798-1845 / Anzeiger Thal Gäu Olten
Teller von 1832: «Der um 1782 geborene Johann Baptist Winistörfer war mit Magdalena Dendler verheiratet. 1829 wurde er Besitzer der unmittelbar neben der Fayencefabrik gelegenen Taverne ‹Eisenhammer›. Er starb am 17. Januar 1864 in Aedermannsdorf, seine Ehefrau am 11. Oktober 1867. Von ihrem Enkel Albin Winistörfer (1868–1953) gelangte der Teller 1911 zu Otto Fröhlicher und anschliessend in den Bestand des Museums Blumenstein.
100 typische Matzendorfer Keramiken 1798-1845 / Anzeiger Thal Gäu Olten
Kaffeekanne von 1820: «Bernhard Munzinger wurde am 4. November 1787 in Olten geboren und verehelichte sich mit Maria Anna Lambert. Von 1813 bis 1822 war er Amtschreiber in Balsthal. Nach der Wahl im Juli 1831 übernahm er bis zu seinem Tod am 24. Juli 1832 die Aufgabe als Amtsgerichtspräsident in Balsthal. Die auf 1820 datierten Keramiken fallen noch in seine Zeit als Amtschreiber.»


Hinweise zu den Besitzern
Lesenswert sind auch die teilweise sehr genau rekonstruierten Geschichten um Auftrag, Empfänger und Weg durch die Generationen (siehe Beispiele in den Bildlegenden). Hier finden sich Hinweise auf private und berufliche Geschichten, ebenso wie Angaben zu Status und politischem Amt.

Zu diesen Informationen beigetragen hat übrigens die Oltner Ärztin und Frauenrechtlerin Maria Felchlin, die Matzendorfer Keramik gesammelt und darüber wissenschaftliche Artikel verfasst hatte. Dafür hatte ihr die Gemeinde Matzendorf das Ehrenbürgerrecht verliehen. 1968 schenkte die 1987 verstorbene Felchlin ihre Sammlung der Gemeinde.

Fabrikgeschichte und Grundlagen
Neben den Objektbeschreibungen von Jonathan Frey und Anton Fluri werden in drei weiteren Kapiteln allgemeine Informationen zur Fabrik und zur Keramikgeschichte vermittelt: Albert Vogt hat die Geschichte der «Fayencefabrik Matzendorf» von 1798–1845 aufgearbeitet, Marino Maggetti die alten Analysen neu beschrieben und bewertet, und Markus Egli befasste sich mit Gipsformen von Crémines und Grandval.

Die Vernissage zum Buch findet am Samstag, 24. September, um 16 Uhr im Pfarreiheim in Matzendorf statt. Dabei kann die Publikation zum Subskriptionspreis erworben werden. www.matzendorfer-keramik.ch.

Text: NRU & Bilder: ZVG