Ein Begegnungsort für Wolfwil? Und das für eine Summe von 230000 Franken? Das Projekt hat in der Gemeinde viel Aufmerksamkeit erregt und wird lebhaft diskutiert. In einer Woche entscheidet die Kirchgemeindeversammlung über die Realisierung der Idee, von welcher der Kirchenratspräsident sagt, sie sei eine riesige Chance für die Kirche und Wolfwil selbst.
Entstanden ist der Gedanke, auf der Wiese neben der Pfarrschür einen Begegnungsort für die Gemeinde zu schaffen, im Rahmen der 400-Jahr-Feier der als Wallfahrtsort bekannten Marienkirche im Jahr 2022. «Im Kirchenrat war man der Meinung, es wäre schön, wenn über die Feierlichkeiten hinaus etwas Bleibendes, Nachhaltiges entstehen könnte», erinnert sich Christian Zbinden, Kirchenratspräsident der römisch-katholischen Kirche Wolfwil. Quasi ein Geschenk also an die nächste Generation, wie es auch in einem Flyer hiess, der noch im gleichen Jahr an alle Haushalte in der Gemeinde verteilt wurde.
Anfang 2023 rief die Kirchgemeinde eine Arbeitsgruppe ins Leben, danach fing mit einem Planungskredit von 5000 Franken die Arbeit mit der Konkretisierung der Idee, unter Beizug einer Fachplanung, erst richtig an. «Schliesslich entspricht es auch unserem Legislaturziel: Wir möchten eine Kirchgemeinde sein, die nach aussen wahrnehmbar ist, mit einer visionären Haltung», sagt der Präsident.
Pavillon, Gemeinschaftsplatz und Spielplatz
In der Tat liest sich das fertige Projekt, das sich am Thema «Freundschaft und Liebe» orientiert und inspiriert ist von der «Liebe Frau von Wolfwil» der Gnadenkapelle, ebenso visionär wie ambitioniert. Der Begegnungsort soll in Stationen zu Themen wie Mut, Gemeinschaft, Geborgenheit, Liebe, Feuer, Quelle, Energie, Leben und Glaube gegliedert werden und so die historischen Gebäude der Kirche und des Pfarrhauses ergänzen und verbinden. Geplant sind vor diesem Hintergrund ein Pavillon, je ein Gemeinschaftsplatz und Spielplatz, ein Liegelooping, ein Quellstein mit Wasserspiel, ein neuer Platz, eine Spielkiste sowie eine grüne Wand mit entsprechender Bepflanzung – all dies Elemente, welche die genannten Charaktereigenschaften symbolisieren.
Das Projekt in dieser Form stellte die von Ruedi Nützi geleitete Arbeitsgruppe, der eine nachhaltige, langlebige und qualitätsbewusste Umsetzung an diesem zentralen Ort wichtig war, dem Kirchgemeinderat vor, inklusive budgetierten Kosten von 230000 Franken. «Das ist viel Geld», weiss Christian Zbinden, der selber die Gruppe ins Leben rief, jedoch nicht direkt in der Ausgestaltung mitgewirkt hat. Entsprechend hinterfragend und skeptisch waren denn auch einige Stimmen bereits im Rat, eine Mehrheit aber stellte sich hinter das Vorhaben und befand, ein solcher Begegnungsort sei doch «für das gesamte Dorf eine tolle Geschichte». Eine Infoveranstaltung Ende April dieses Jahres wurde von rund 60 Personen besucht.
Einwohnergemeinde positiv gesinnt
Am kommenden Donnerstag nun steht der Kredit in besagter Höhe in der Budgetgemeindeversammlung der Kirchgemeinde auf dem Prüfstand. Ist eine Mehrheit vor Ort dagegen, ist der Begegnungsort kein Thema mehr. Bei einem Ja stellt sich die Frage nach der Finanzierung. Man sei aktuell schuldenfrei und könne die Vision mit einer jährlichen Abschreibung von 8000 Franken auf 30 Jahre hinaus grundsätzlich in Eigenregie realisieren, betont der Kirchenratspräsident. Das wäre bei einem positiven Entscheid der Versammlung aber vielleicht gar nicht notwendig, weil die Einwohnergemeinde auf eine Anfrage der Kirche hin signalisiert hat, dass sie das Vorhaben begrüsse und einen Begegnungsort als eine Bereicherung fürs ganze Dorf werte. Eine offizielle Absichtserklärung von Seiten der Einwohnergemeinde über eine Beteiligung steht noch aus. Hinzu kämen eventuell weitere Beiträge von Seiten der Bürgergemeinde. Bei Zustimmung zum Projekt wird sich der Kirchenrat auch für weitere Unterstützung durch das lokale Gewerbe einsetzen. «Aus unserer Sicht ist es jedoch nur richtig und transparent, wenn wir trotz allfälliger Finanzierungsbeiträge Dritter mit der gesamten Summe vor die Versammlung treten», sagt Christian Zbinden. Die Kirchgemeinde wäre Bauherrin des Projekts, würde das Land zur Verfügung stellen und auch die Unterhaltskosten übernehmen.
Unnötig – oder eine riesige Chance?
Christian Zbinden freut sich auf eine angeregte, ehrliche und wertschätzende Diskussion, in deren Zentrum die Antwort auf die Frage stehen müsse: Ist es uns das wert? Kritiker geben zu bedenken, man habe ja bereits eine schöne Kirche im Dorf, die Realisierung eines solchen Ortes, notabene für so viel Geld, sei nicht Kernaufgabe der Kirchgemeinde. Auch generiere das Projekt kein Geld, jedenfalls nicht auf direktem Weg. Zudem sei Wolfwil schon heute eine Gemeinde mit einem regen Vereinsleben, in dessen Rahmen die Menschen bestens zusammenkommen könnten. All diese Argumente könnten die Befürworter nachvollziehen und akzeptieren, sagt Zbinden.
Die Realität sei aber auch, dass immer mehr Menschen der Kirche den Rücken kehrten. Dabei sei ihre Kirche in Wolfwil noch eine vergleichsweise gut besuchte, mit regelmässig mehr als fünfzig, sechzig Personen. Aber Zbinden gibt zu bedenken: Wie lange noch? Er wirft die Frage auf, ob es nicht auch ein kirchlicher Gedanke sei, etwas für die Mitmenschen zu tun. Aus seiner Sicht ist der Begegnungsort eine «riesige Chance» für die Bevölkerung, aber auch für auswärtige Besuchende, miteinander in Kontakt zu bleiben oder sich an diesem Kraftort überhaupt erst zu begegnen. «Die Realisierung könnte enorm wichtig sein für die Sichtbarkeit unserer Kirche und für Wolfwil als Gemeinde», ist er überzeugt.
Über allem steht für ihn, dass die Idee allen unterschiedlichen Meinungen zum Trotz mehr verbindet denn entzweit. Im Falle einer Realisierung wäre der Frühling 2026 ein realistischer Termin für die Eröffnung. Fällt das Vorhaben durch, sei dies ohne Wenn und Aber zu akzeptieren. Christian Zbinden: «Dann hätten wir wenigstens mal ein Pflänzli gesetzt.»