Sara Liechti

Ein Haarschnitt entscheidet nicht nur über das Äussere – er bewahrt oft auch ein Stück Würde.

Da ist dieser Coiffeur, der montags – seinem Ruhetag – die Schere nicht weglegt, sondern sie erst recht in die Hand nimmt. Für jene, die längst nicht mehr im Rampenlicht stehen, sondern im Schatten der kleinen Rente: Rentner, die ihr Leben lang gearbeitet, Kinder grossgezogen, das Land mitgetragen haben – und nun im Alter abwägen müssen, ob das Geld für den nächsten Haarschnitt reicht.

Seine Geste ist so einfach wie gross: kostenlos schneiden, Würde schenken. Ein «Luxus», der keiner sein sollte, sondern Selbstverständlichkeit. Dass diese alten Menschen überhaupt gezwungen sind, dankbar und zugleich beschämt solch ein Angebot anzunehmen, ist ein stiller Skandal.

Wir leben in einem Land, in dem Milliarden für vieles fliessen – aber zu wenig, damit einige unserer AHV-Bezüger nicht am Hungertuch nagen müssen. Für welchen Zweck unsere Steuern verwendet werden, wird gern gefeilscht und gestritten. Doch wer berücksichtigt das Würde-Konto unserer Senioren?

Der Coiffeur macht uns vor, wie Menschlichkeit aussieht: schlicht, uneigennützig, direkt. Wenn der Staat es nicht schafft, sollten wir alle uns fragen: Wo könnte ich «Coiffeur» sein?

Denn eines ist klar: Unsere Senioren haben nicht den billigsten Schnitt verdient, sondern den besten Respekt.

«…Armut stellt ältere Menschen nicht nur vor finanzielle Herausforderungen, sondern wirkt sich auch auf die Gesundheit, Zufriedenheit und Einsamkeit aus.» – www.prosenectute.ch