Vor einiger Zeit musste ich für die armenischen Behörden ein Personalblatt ausfüllen. Neben Name, Adresse und den weiteren üblichen Parametern wurde auch die «Ethnie» erfragt. Ich stutzte. Was bin ich denn? Eine Ethnie, die man als «Schweizer» bezeichnen würde, gibt es schliesslich kaum. Mir fielen die drei Fenster des Ständeratssaals ein, welche gegen den Bundesplatz hin von drei Schlusssteinen gekrönt sind, die einen Alemannen, einen Burgunder und einen Langobarden darstellen. Auf das Formular «Alemanne» hinzuschreiben, erschien mir aber gänzlich lachhaft.
Einige Wochen später sinnierte ich mit einer in Bern weilenden Delegation armenischer Parlamentarier über unsere Staatswesen. Die Republik Armenien ist das Land, in dem die Armenier leben. Sonnenklar. Und die Schweiz? Die definiert sich als Nation eben nicht aufgrund ihres Volkes, sondern aufgrund des Willens des Volkes, eine Nation zu sein. Wir sind tatsächlich eine «Willensnation ».
Die Armenier benieden mich darum. Weil ihre «Ethnie» ihnen zwar viel Identität, aber noch viel mehr Leiden bringt. 1,5 Millionen Armenier wurden 1915 im osmanischen Reich ermordet. Einfach, weil sie Armenier waren. Und erst 2023 mussten 120 000 Armenier ihre Heimat in Bergkarabach verlassen. Einfach, weil sie Armenier sind.
Wer also, wie neulich zu lesen war, leichtfertig die Herauslösung gewisser Kantone aus der Eidgenossenschaft fordert, der hat nicht nur nichts vom Geist und Wesen unseres Landes begriffen, sondern auch nicht kapiert, weshalb wir in unserem Land in Frieden und Freiheit leben dürfen: Weil wir gemeinsam die Schweiz sein wollen.
