Damit auch Geflüchtete in unserer Gesellschaft ihren Platz finden, sind Beziehungen zu Einheimischen wichtig. Seit vier Jahren bewährt sich das Co-Piloten-Projekt von Caritas Solothurn. Jetzt werden neue Freiwillige gesucht.
In einem fremden Land, ohne Freunde, ohne Sprachkenntnisse, ohne Wissen über Konventionen und Normen – wer würde sich da nicht auch verloren fühlen? So geht es den meisten Geflüchteten, die im sicheren Hafen Schweiz ankommen und auf die Gemeinden verteilt werden. Kontakt zu der einheimischen Bevölkerung haben sie zu Beginn meistens nicht. Dabei wäre genau dann ein einheimischer Guide, ein Co-Pilot, wichtig, um sich in der neuen Gesellschaft zurecht zu finden. Jemand, der eine Meinung anbringt, einen Tipp weiss oder auch einfach über das Wetter plaudert und fragt, wie es geht.
Tandems entscheiden selber
Als 2016 viele geflüchtete Menschen nach Europa kamen und so auch in die Schweiz, und im Fernseher die Bilder der notbedürftigen Menschen täglich gezeigt wurden, verspürten viele Einheimische das Bedürfnis zu helfen. Diese meldeten sich dann beim Kanton, welcher unter anderem Caritas Solothurn die Aufgabe übergab, die Freiwilligen zu betreuen und zu koordinieren. So entstand mit 23 Freiwilligen jeglichen Alters und Geschlechts noch im gleichen Jahr das Mentoring-Projekt Co-Pilot, das seither laufend durchgeführt wird. Dabei wird jedem Freiwilligen für ein Jahr eine geflüchtete Familie oder eine geflüchtete Einzelperson zugeteilt. So entstehen Tandems, die sich mindestens zwei Mal im Monat treffen. Wo diese Treffen stattfinden und wie lange sie dauern, entscheidet jedes Tandem selbst.
Partner schauen zueinander
«Die Flüchtlinge sagen, wo sie Unterstützung brauchen. Zum Beispiel beim Verstehen von Briefen, beim Deutsch Lernen oder beim Aufsetzen einer Bewerbung. Das Wichtigste ist, Zeit zusammen zu verbringen. Es hilft auch schon viel, einen Kaffee zusammen zu trinken und zu plaudern. Oft entstehen schöne Freundschaften», sagt Projektgründerin Annette Lüthi von Caritas Solothurn. Schöne Beispiele kann sie viele nennen. Zum Beispiel, als eine Freiwillige zu Beginn des Lockdowns an einer schweren Erkältung litt, brachte ihr ihre Tandem-Partnerin Suppe vorbei und fragte auch immer wieder nach, wie es ihr gehe und ob sie was brauche. «Viele geflüchtete Menschen sind froh, wenn sie auch mal etwas zurückgeben können.» Deshalb komme es oft vor, dass die Geflüchteten ihre Co-Piloten gerne bei sich zu Hause empfangen und bekochen. Genau das sei das Schöne am Co-Piloten-Projekt: «Es ist ein Geben und ein Nehmen.» Viele Beziehungen, die im Co-Piloten-Projekt entstanden sind, bleiben über Jahre bestehen, sagt Lüthi und lacht glücklich. Dabei denkt sie zum Beispiel an einen Freiwilligen, der eine sehr schöne Freundschaft zu einem Geflüchteten aufbaute und viele Höhen und Tiefen miterlebte. Der Freiwillige half dem Geflüchteten dabei, den Führerschein zu erwerben, eine Arbeit zu finden und in der Gesellschaft Fuss zu fassen. Mittlerweile ist der Flüchtling unabhängig von der Sozialhilfe, hat geheiratet und ist Vater geworden. Der Freiwillige, welcher selber keine Enkelkinder hat, kann am schönen Familienglück teilnehmen und hütet zwischendurch sogar «seinen» Enkel.
Wertvolle Erfolgserlebnisse
«Bei solchen Happy Ends ist es auch für den Freiwilligen eine Riesenfreude und Bereicherung. Denn man hat zu diesem Erfolg beigetragen; hat etwas geschafft, das zu Beginn unmöglich schien.» Solche Erfahrungen zeigen, dass Begegnungen auf Augenhöhe ein guter Weg sind, um die neu Angekommenen nachhaltig in unsere Gesellschaft zu integrieren, so Lüthi. In den 160 Tandems, die Lüthi mit ihrem Team in den letzten vier Jahren zusammengeführt hat, gab es nur einen Fall, in dem die Beziehung abgebrochen werden musste, weil der Geflüchtete zu wenig Engagement zeigte und nur vom Freiwilligen profitieren wollte.
Gute Vernetzung mit anderen Stellen
«Wir sind für unsere Freiwilligen immer als Ansprechpersonen da und bleiben in Kontakt, so dass wir auch schnell merken, wenn es irgendwo hapert und entsprechend unterstützen können.» Einen ersten Erfahrungsaustausch unter den Freiwilligen gibt es drei Monate nach dem Kennenlernen. Je nach Wunsch organisiert die Caritas weitere Austauschtreffen. «Das wird sehr geschätzt.» Dank der guten Vernetzung mit der Sozialberatung von Caritas, den Sozialregionen, der Rechtsberatung von HEKS und vielen weiteren Institutionen, können Freiwillige bei spezifischen Fragen an weitere Stellen vermittelt werden. Zudem können sie kostenlos Weiterbildungen besuchen. Die Gruppe der Freiwilligen, die sich beim Co-Piloten-Projekt engagiert, ist bunt durchmischt. Die meisten sind zwischen 30 und 60 Jahre alt, wobei Frauen am häufigsten vertreten sind. Als freiwillige Person kann man selber wählen, ob man lieber zu einer Familie, zu einem Mann oder zu einer Frau Kontakt haben möchte. Die meisten geflüchteten Menschen kommen derzeit aus Eritrea, Syrien und Afghanistan. Die Nachfrage nach einem Tandem-Partner ist auf ihrer Seite gross. Bereits 40 Geflüchtete sind auf der Warteliste für das Co-Piloten-Projekt.
Einführungsabende in Oensingen
Die meisten Freiwilligen schätzen den Einblick in eine andere Kulturwelt und nutzen oft die Gelegenheit, um Vorurteile zu revidieren. Andere, vor allem jüngere Freiwillige, nutzen das Co-Piloten-Projekt auch als Sprungbrett für ihre berufliche Weiterentwicklung. Wer Interesse hat, als Co-Pilotin oder – Pilot einzusteigen, hat die Gelegenheit, an den beiden Einführungsabenden teilzunehmen. Diese finden statt am 5. und 12. November von 19 bis 21.30 Uhr im Feuerwehrmagazin an der Mühlefeldstrasse 3 in Oensingen. Auskunft und Anmeldung: Caritas Solothurn, Annette Lüthi, Tel. 032 623 01 57 oder a.luethi@ caritas-solothurn.ch.