Matzendorfs Gemeindepräsident Marcel Allemann stellt sich für weitere vier Jahre zur Verfügung. «Gemeinsam mit dem Gemeinderat will ich aktuelle Projekte weiterführen und neue lancieren», sagt der 52-jährige Parteilose. Im Interview mit dem Anzeiger spart Allemann auch nicht mit teils harscher Kritik am Kanton.
Sie treten nach zwei Legislaturperioden als Gemeindepräsident von Matzendorf für weitere vier Jahre an: Ihre Motivation?
Dafür gibt es viele Gründe. Ich lebe in einer tollen Gemeinde mit vielen tollen Menschen. Etwas pathetisch gesagt: Ich liebe Matzendorf! Als ich im Januar am Werweissen war, ob ich nochmals kandidieren soll, haben mich viele Einwohnerinnen und Einwohner kontaktiert und gebeten, weiterzumachen. Diese Rückmeldungen haben mich beflügelt. Es gibt aber auch noch viel zu tun in unserer Gemeinde: Ich möchte die Schulden weiter senken, und dass an der letzten Gemeindeversammlung der Antrag aus der Bevölkerung angenommen wurde, den Steuersatz von 135 auf 130 Prozent zu senken, ist eine neue, zusätzliche Herausforderung.
Der Entscheid mit der Steuersenkung geht Ihnen sehr gegen den Strich.
Ich bin nach wie vor enttäuscht, dass die Argumente des Gemeinderates von einer Mehrheit zu wenig gewichtet wurden und die drohenden Konsequenzen in den Wind geschlagen wurden. Der kontinuierliche Schuldenabbau wird gebremst, und wir werden halt auch irgendwo Einsparungen vornehmen müssen.
Wie meinen Sie das?
Der richtige Zeitpunkt für eine Senkung war noch nicht erreicht. Wir werden nun die Investitionen für die nächsten fünf bis zehn Jahre so «glätten», dass sie tragbar sind. Und wir werden auf Sachen verzichten, die nicht wirklich nötig sind. Ein Beispiel: Die Wiedereinführung des Gemeinderatsausflugs streichen wir. Aber eigentlich kommuniziere ich lieber positiv: Matzendorf ist ein schönes, lebenswertes Dorf. Wir werden im Gemeinderat also nicht mit dem Rotstift zu Werke gehen, sondern versuchen, die Steuersenkung kreativ aufzufangen.
Die Freude in Ihrem Amt überwiegt also?
Selbstverständlich! Es ist eine äusserst interessante Aufgabe, bei welcher man viel lernt, sie weist Parellelen zu einer Geschäftsführung auf (Allemann ist Leiter Verkauf Grosshandel bei der Bell Schweiz AG, die Red.). Ich betrachte Matzendorf wie ein kleines KMU, immerhin beschäftigen wir inklusive Lehrkräfte rund 130 Angestellte und machen einen Umsatz von jährlich acht Millionen Franken. Unsere Steuerzahler sind die Kundschaft, entsprechend ist es mein Ziel, unsere Gemeinde zu vermarkten, um neue gute Steuerzahler bei uns ansiedeln zu können. Ich war bei Amtsübernahme selber überrascht, wie komplex die Führung einer Gemeinde ist. Deshalb lud ich schon bald alle, die mit ihrer Arbeit für unser Dorf auch nur einen Rappen verdienen, zu einer Feier ein.
Eine wichtige Erkenntnis, oder?
Natürlich. Die Arbeit des Gemeinderates steht und fällt sowieso mit einer guten Gemeindeverwaltung, die den Rücken freihält und weiss, was zu tun ist. Der Werkhof macht seinen Job super, schliesslich stellt seine Arbeit die Visitenkarte der Gemeinde dar. Und auch die Schule entwickelt sich dank eines kompetenten Schulleiters in die richtige Richtung weiter.
Die Rekrutierung ist in Matzendorf kein Problem?
Es ist in der Tat eine grosse Herausforderung, genügend Leute zu finden. Wir reden hier ja von Milizarbeit. Aber der aktuelle Gemeinderat ist sehr gut aufgestellt und es arbeiten die richtigen Personen in den richtigen Kommissionen. Das wiederum schafft gute Lösungen. Zudem ziehen gute Leute gute Leute nach.
Wenn Sie auf Ihre bisherige Amtszeit zurückblicken: Was war gut, was weniger?
Uns ist es nicht gelungen, der Gemeinde zu erklären, weshalb wir Gewinn schreiben und das Eigenkapital stärken und es trotzdem notwendig ist, den Steuersatz eben noch nicht zu senken. Diese Signale kamen bei der Bevölkerung falsch an. Wir hätten wohl Jahr für Jahr rote Zahlen schreiben müssen – aber das kann doch nicht das Ziel sein.
Was war positiv?
Wir haben – entgegen allen Prognosen – noch immer eine Poststelle in Matzendorf! Dass uns diese Rettung dank grosser Hartnäckigkeit gelungen ist, darauf bin ich stolz. Wir haben zudem ein Ärztezentrum realisiert, auch diesbezüglich hatte es vorher geheissen: Das schafft ihr nicht! Aber wir haben es geschafft. Was mich auch sehr freut: Wir haben an Gemeindeversammlungen immer noch 40 bis 50 Interessierte, auch dann, wenn wir mit ihnen einen Workshop machen.
Weitere Herausforderungen, die Sie umtreiben?
Die Investitionen aus der Vergangenheit, die ganzen Drainages im Boden. Das sind kommende Ausgaben. Oder Stichwort «Sternen»-Saal: Damit können wir noch fünf, sechs Jahre planen. Aber danach? Benötigen wir ein Mehrzweckgebäude für Vereine und Schulen? Nicht zu vergessen, dass auf dem Berg (der Brunnersberg, die Red.) auch noch Matzendörfer leben. Deshalb findet dort ab und zu eine Gemeindeversammlung statt. Ganz generell gilt es zum ansässigen Gewerbe Sorge zu tragen. Gut, dass die Bevölkerung «Ja» gesagt hat zum Pferdesport. Diese Positionierung haben meine Vorgänger initiiert, sie ist mittlerweile ein wichtiger Pfeiler unserer Gemeinde. Matzendorf ist eine Stützpunktgemeinde mit viel Verantwortung. Dieser Verantwortung für die Region sind wir uns bewusst. Deshalb arbeiten wir in allen wichtigen Gremien mit.
Das Positive in Ihrem Amt scheint effektiv zu überwiegen.
Natürlich. Was mich nicht befriedigt, ist die Zusammenarbeit mit dem Kanton. Logisch ist es super, die Regierung mit einem Anruf direkt erreichen zu können. Aber ein persönlicher Austausch ist einmal im Jahr vorgesehen, als einstündige Aussprache. Das ist ziemlich dürftig, um die Anliegen und Probleme in den jeweiligen Gemeinden wirklich erkennen zu können. Ich würde mir wünschen, dass die Strategie des Kantons für das Thal bekannt gemacht wird, dass man weiss, was die Regierung mit dem Thal vorhat.
Kritische Worte …
Ein weiterer Dorn im Auge ist die 2018 erschienene «Strategie Natur und Landschaft 2030+» des Kantons, in welcher ein einziges Loblied auf die wunderschöne und erhaltenswerte Solothuner Landschaft gesungen wird. Dabei hält der Kanton stur an den Zonen für Windparks im Richtplan fest. Damit wurde die beispielhafte und bewährte Juraschutzverordnung von 1942 kurzerhand ausgehebelt, was ein fataler Widerspruch ist. Ich werde stets gegen die Verschandelung unserer schönen Jurahügel durch diese gigantischen Windräder kämpfen. Wollen Sie noch ein Beispiel hören …?
Nur zu.
Wir fühlen uns auch bezüglich Ortsplanungsrevision vom Kanton nicht ernst genommen. Matzendorf soll laut Entscheid des Kantons in seinem Wachstum «abgewürgt» werden und kann sich dadurch nicht weiterentwickeln. Mit fatalen Folgen: Viele Junge möchten in ihrem Dorf bauen und haben keine Möglichkeit. Aber wir kämpfen in Matzendorf weiter für ein gesundes Wachstum.
Da käme Ihnen auch die Realisierung der Verkehrsanbindung Thal gelegen, oder?
Selbstverständlich! Ob die Verkehrsanbindung Thal das Ei des Kolumbus ist, weiss ich nicht. Aber ich weiss, dass das Projekt nun realisiert werden muss.
Welches sind Ihre Ziele und Schwerpunkte in der neuen Legislatur?
In gewissen Bereichen machen Zusammenschlüsse mit anderen Gemeinden Sinn. Die Zusammenarbeit unter den Thaler Gemeinden ist sehr gut, wir stehen zusammen, wenn es um die Region geht. Bis anhin wurden folgende Bereiche erfolgreich zusammengeschlossen: Die Feuerwehr mit den Gemeinden Aedermannsdof und Herbetswil; die Musikschule mit Aedermannsdorf, Herbetswil, Welschenrohr und Gänsbrunnen. Im Bereich Schulen macht eine Zusammenarbeit mit Aedermannsdorf und Herbetswil Sinn, um gegenseitig die Erhaltung der Primarschule zu sichern. Wir sind dabei, neue Schulräume zu schaffen – uns hat keiner gesagt, dass im Rahmen des Lehrplans 21 jedes Klassenzimmer zusätzliche Nebenräume benötigt … Umtreiben wird uns auch die ganze Thematik Wasser. Wir im Thal haben eigene Quellen, die der Kanton zumachen will, obwohl wir besseres Wasser haben als vor dem Berg und damit im letzten halben Jahrhundert keinerlei Probleme hatten.
Sie wohnen erst seit 2005 in Matzendorf. Woher Ihr grosses Engagement?
Es ist ein Privileg, hier im Naturpark Thal leben zu dürfen. Ich bin im Thal aufgewachsen und fühle mich als Thaler. Zu erkennen, was alles an Schönem wir haben, dafür einzustehen und zu arbeiten. Überhaupt sollte die Milizarbeit wieder mehr geschätzt werden. Früher hatten Gemeinderäte noch ein gewisses Ansehen im Dorf, heute werden sie fast schon angeschaut nach dem Motto: Hat der oder die zu viel Zeit? Ich finde, alle sollten in ihrem Leben einige Jahre Milizarbeit machen, dann wüssten sie: es geht nur gemeinsam! Es reizt mich, unser Dorf vorwärts zu bringen. «Wir haben die Welt nur von unseren Kindern geliehen.» Dieses Credo liegt mir besonders am Herzen, danach richte ich mein Schaffen und meine Entscheidungen aus.