Omikron-Welle Notfallplan Kanton Solothurn / Anzeiger Thal Gäu Olten
Gleich drei Regierungsmitglieder erläuterten das neue Vorgehen vor den Medien. Kantonsärztin Yvonne Hummel (rechts im Bild) fasste die aktuelle Coronasituation zusammen

Der Kanton bereitet den Extremfall vor

Mit einem Notfallplan will die Regierung eine Überlastung der Spitäler verhindern

Die Omikron-Welle führt auch im Kanton Solothurn zu Rekordfallzahlen. Die Regierung befürchtet einen weiteren Anstieg. Um die damit verbundenen Krankenhauseintritte und Personalausfälle im Spitalbereich zu bewältigen, hat der Kanton einen Notfallplan aus drei Phasen beschlossen. Dabei erhält die Solothurner Spitäler AG Unterstützung der Privatkliniken und im Ernstfall auch vom Zivilschutz.

Gesundheitsdirektorin Susanne Schaffner fasste den Ernst der Lage in einem Satz zusammen: «Je nach Szenario kommen schwierige Wochen auf das Gesundheitswesen zu.» Gemeinsam mit zwei weiteren Regierungsmitgliedern – Volkswirtschaftsdirektorin Brigit Wyss und Bildungsdirektor Remo Ankli – sowie der Kantonsärztin Yvonne Hummel, trat sie vergangene Woche vor die Medien. Die Solothurner Regierung präsentierte einen Notfallplan. Ein Vorgehen, das den derzeit schlimmstmöglichen Pandemieverlauf regelt: Einen noch stärkeren Anstieg der Fallzahlen, verbunden mit vielen Hospitalisationen und Personalausfällen in den Spitälern. Wie wahrscheinlich eine solche Entwicklung ist, weiss niemand. Stützen kann sich die Kantonsregierung lediglich auf Modellberechnungen. Dennoch will sie auf den Ernstfall vorbereitet sein. Der Grund: Omikron.

Die neue Coronavariante scheint zwar milder zu verlaufen, ist gleichzeitig aber deutlich ansteckender. Und so erreichen die Corona-Fallzahlen auch im Kanton Solothurn Dimensionen, die vor ein paar Monaten noch unvorstellbar schienen.

Hohe Dunkelziffer
Die Situation im Kanton Solothurn lasse sich mit der gesamtschweizerischen vergleichen, sagte Kantonsärztin Yvonne Hummel. 43 Prozent der Tests – also rund jeder zweite – sei derzeit positiv. Das deute auf eine hohe Dunkelziffer hin. Statt 30 000 würden sich in der Schweiz schätzungsweise eher 100000 Personen täglich mit dem Virus anstecken. Man müsse damit rechnen, so Hummel, dass ein grosser Anteil der Bevölkerung sich in den nächsten Wochen schnell infiziere. Im schlimmsten Fall könne dies zwei bis drei Prozent der Bevölkerung betreffen: «Das wären im Kanton Solothurn 6000 bis 8000 neue Ansteckungen täglich.»

Deshalb sei es auch weiterhin wichtig, die Welle zu bremsen. An diesem Punkt erinnerte die Kantonsärztin an die gängigen Schutzmassnahmen wie Kontaktbeschränkungen, Homeoffice und das Testen von besonders gefährdeten Personen und Schulklassen. Gleichzeitig wiederholte sie den Appell an die Bevölkerung, sich impfen zu lassen. Auch wenn die Impfung etwas besser gegen die vorhergegangene Delta-Variante gewirkt habe, zeige sich auch bei Omikron: Eine Impfung schützt vor Infektion, vor allem aber vor einem schweren Verlauf. Dennoch müsse man sich auf den schlimmsten Fall einstellen und vorbereitet sein. Genau darauf zielt der neue Notfallplan ab. Er regelt das Vorgehen, wenn die Betten in den Spitälern knapp und die Ausfälle beim Klinikpersonal zu gross werden.

Drei Phasen
Der Plan sei in enger Zusammenarbeit mit den Spitälern erarbeitet worden, betonte Gesundheitsdirektorin Susanne Schaffner: «Alle sind an Bord.» Gemäss Notfallplan werden die Solothurner Spitäler AG (soH) von der Privatklinik Obach und der Pallas Kliniken AG unterstützt. Er besteht konkret aus drei Phasen.

In der Phase 0, in der man sich derzeit befindet, ist die soH verpflichtet, möglichst viele Betten und personelle Ressourcen für die Behandlung von Covid-19-Patientinnen und Patienten bereitzustellen. Dazu werden interne Massnahmen erhoben und gegebenenfalls nicht dringende Eingriffe verschoben. Sobald 60 Covid-19-Patienten in den Solothurner Spitälern betreut werden, beginnt Phase 1. In dieser ersten Eskalationsstufe ist die Privatklinik Obach verpflichtet, bis zu 20 Patienten aus dem Bürgerspital Solothurn aufzunehmen, welche keine intensive Behandlung mehr benötigen. Die Pallas Kliniken AG soll dem Kantonsspital Olten Personal zu Verfügung stellen. Ab 90 Covid-19-Patienten beginnt die Phase 2 und damit die zweite Eskalationsstufe. Sie hätte drastische Auswirkungen. Sämtliche Spitäler würden den Normalbetrieb einstellen und nur noch Coronapatienten und Notfälle betreuen. Die Obach müsste gänzlich für die Verlegung von Patienten zur Verfügung stehen und die Pallas-Kliniken das gesamte Fachpersonal zur Verfügung stellen. Die für das Modell nötige Allgemeinverfügung soll bis zum 31. Dezember 2022 gelten. Diese Massnahmen hätten – kämen sie denn zur Anwendung – hohe unverschuldete Ertragsausfälle und Mehraufwände zur Folge, diese sollen abgegolten werden. Während im Kanton Solothurn also der schlimmste Fall vorbereitet wird, hört man aus Bern auch vorsichtig optimistische Töne. So sprach Gesundheitsminister Alain Berset letzte Woche angesichts des neuen Höchststandes an Ansteckungen von einer hohen Belastung für die Spitäler, sagte aber auch, dass sich die Lage positiv entwickle. Man sei zuversichtlich, dass sich die Situation langsam, aber sicher zu einer Endemie wandle. Bleibt zu hoffen, dass der Notfallplan des Kantons in der Schublade bleibt.

Auch der Zivilschutz könnte einspringen
Bereits in der ersten Welle hat der Zivilschutz des Kantons Solothurn in der Pandemiebekämpfung geholfen. Nun wird erneut ein möglicher Einsatz der Zivilschützerinnen und Zivilschützer in Gesundheitseinrichtungen vorbereitet. Sie käme in Phase 2 des neuen Notfallplans zum Zug und das nur, wenn alle anderen Ressourcen ausgeschöpft sind, so Volkswirtschaftsdirektorin Brigit Wyss: «Jeder Zivilschützer, der eingesetzt wird, fehlt an seinem Arbeitsplatz.»

Da auch im Zivilschutz mit vielen Coronainfektionen gerechnet wird, sollen pro Tag 90 Angehörige des Zivilschutzes in drei Schichten in den Gesundheitseinrichtungen eingesetzt werden. Möglich wäre Unterstützung unter anderem in den Bereichen Verpflegung, Transport, Pflege und Administration

Text & Foto: MB