Einst war Luigi der begnadetste Witzeerzähler des Universums. Seine Pointen trafen wie die Geschosse eines Scharfschützen. Sein Timing glich jenem eines Meisterdirigenten. Sein Repertoire war breiter als die Gestade des Meeres. Statt mit «Hallo» begrüsste er einen mit: «Kennst du den schon?» Seit aber politische Korrektheit zur moralischen Währung unserer Gesellschaft erkoren wurde, ist Luigi nur noch ein Schatten seiner selbst, ein Gebrochener, ein eingefallenes, gebücktes Männlein.
Brennt ihm die Geschichte vom Rabbi und dem Pfarrer auf der Zunge, fürchtet er sich, ein Antisemit oder Nazi geschimpft zu werden. Beim Scherz vom afrikanischen Reisebus an der österreichischen Grenze graut ihm vor Rassismusvorwürfen. Die Anekdote vom Mann, der zum Arzt kommt, vermeidet er tunlichst, weil er Menschen nicht mehr in ein veraltetes, binäres Geschlechterbild zwängen will. Alle Blondinenwitze ruhen seit #metoo sanft auf dem Friedhof seiner Erinnerungen.
Verzweifelt suchte er sich psychologische Hilfe. In der Abgeschiedenheit des Sprechzimmers gibt er nun wöchentlich jene Kalauer zum Besten, die ihn in seiner Blütezeit zur gefeierten Partyattraktion und später zur Persona non grata machten. Der Therapeut nickt jeweils verständnisvoll und macht sich Notizen. Gestern, als er beim Gehen die Tür hinter sich ins Schloss zog, glaubte Luigi zu vernehmen, wie Freuds Jünger in schallendes Gelächter ausbrach. Ein leiser Anflug von Freude skizzierte ein Lächeln auf sein Gesicht. Zu Hause küsste er zärtlich seine Frau und meinte, die Therapie tue ihm richtig wohl.
Der Autor überlegt sich, Luigi künftig zur Therapiestunde zu begleiten. Das wäre zwar politisch inkorrekt, aber immerhin auf Krankenschein.