Die Aktivitäten der Genossenschaft für Altersbetreuung und Pflege Gäu (GAG) werden hochgefahren. Nach 15 Monaten Pandemie herrscht Zuversicht. Aber der Virus und seine Folgen haben Spuren hinterlassen. Die Verantwortlichen der Genossenschaft für Altersbetreuung und Pflege Gäu (GAG) blicken auf nicht eben einfache Monate zurück: Negativberichterstattung in den Medien und (auch) als deren Folge leere Betten prägten die Pandemie. Trotzdem galt laut VRPräsidentin Johanna Bartholdi: «Wir haben uns nicht Gedanken darüber gemacht, was verboten ist, sondern darüber, was möglich ist.»
Corona-Gefängnis? Nein, diese Wortkreation zaubert Gina Kunst noch immer kein Lächeln ins Gesicht. Zu oft hat die Geschäftsleiterin der Genossenschaft für Altersbetreuung und Pflege Gäu (GAG) den Medien in den vergangenen 15 Monaten entnehmen müssen, die Altersund Pflegeheime hierzulande seien aufgrund strenger Schutzmassnahmen eben just dies für ihre Bewohnerinnen und Bewohner: eine Art Gefängnis.
Dem sei nie so gewesen, sagt Kunst. Darüber, dass der Alltag an den drei Standorten in Egerkingen, Oensingen und Niederbuchsiten auch während der Pandemie «so normal wie möglich und so gut es eben ging» stattgefunden habe, sei kaum je berichtet worden. Vielleicht seien eine liebevolle Betreuung und würdevolles Sterben zu wenig sexy, um davon zu erzählen, mutmasst Kunst. «Es kommt halt darauf an, ob man das Glas als halb leer oder halb voll betrachtet.» Längst aber schauen die GAG-Verantwortlichen nach vorn, sie konnten die Pandemiemassnahmen nach 290 erfolgreich verlaufenen Impfungen deutlich lockern, das Leben in ihren Häusern nimmt Fahrt auf. «Die Impfung wirkt», betont Kunst.
Gesprächsbedarf mit Angehörigen
Während des Lockdowns galt für die Bewohnerinnen und Bewohner sehr wohl, dass sie auf ihrer Abteilung bleiben mussten, auch Aktivitäten wie Spielabende wurden allesamt dorthin verlegt. Aber ein striktes Besuchsverbot war in den GAGAlterszentren nie verhängt worden. «Angehörige, die auf einen Besuch wert legten, haben wir am Eingang abgeholt und konnten ihrer Mutter, ihrem Vater in der Besucherzone begegnen», schildert Martina Christen, Bereichsleiterin Kundenund Qualitätsmanagement, die Maxime während der Pandemie. Die Bewohnenden waren nie in ihren Zimmer eingesperrt. Verunsicherung und auch Ängste, insbesondere bei Angehörigen, waren aber latent. «Es gab viel Gesprächsbedarf in dieser Zeit», erinnert sich Christen.
Gina Kunst und ihr Team gingen immer den pragmatischen Weg. Sie erzählt von der Geburtstagsfeier für einen hundertjährigen Bewohner, gemeinsam mit Sohn und Schwiegertochter, die man im «Sunnepark» im Herbst möglich gemacht habe. «Für uns galt stets: Es gibt Verbote, und es gibt Empfehlungen.» Das A und O in dieser Zeit seien Maske und Handhygiene gewesen. «Da waren wir extrem streng und haben nichts durchgehen lassen, schliesslich sind die Hände unser aller Werkzeug.» Auf Tests zu setzen, wäre ihrer Ansicht nach eine falsche Sicherheit gewesen. Überhaupt habe das Coronavirus zwar alle überrascht – «konzepttechnisch aber waren wir parat», sagt Kunst mit Nachdruck. Denn ob Norovirus, der Klassiker in Alterszentren, oder Coronavirus, mache rein von den Massnahmen her keinen Unterschied.
70 Prozent sind jetzt geimpft
«Unsere Betagten sind mündige Bürger, die ganz allein entscheiden, ob sie sich impfen lassen wollen oder nicht», sagt Gina Kunst. Während für die einen sofort klar war, dass der Piks unerlässlich sein würde, waren andere in Abwartehaltung. Und wieder ein Teil sagte zum vornherein: «Kein Thema!» Insgesamt dreimal seit Januar rückte das Impfteam des kantonsärztlichen Dienstes an, für «Nachzügler» besteht nun noch die Möglichkeit, sich im Seniorenzentrum Untergäu in Hägendorf impfen zu lassen.
Aktuell sind laut Martina Christen 70 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner geimpft; bei den Mitarbeitenden beläuft sich der Anteil auf 55 Prozent. Sie betont aber: «Masken tragen weiterhin alle Mitarbeitenden. Es gibt im Job und in der Berufsausübung keinerlei Unterschiede zwischen geimpften und ungeimpften Mitarbeitenden.»
Wie ging man damit um?
Wie präsentiert sich eine Bilanz nach rund 15 Monaten Pandemie? Der vielleicht wichtigste Fakt: Eine Übersterblichkeit während Corona gab es nicht. Die Statistik belegt es: 2019 waren an den drei Standorten insgesamt 49 Todesfälle zu verzeichnen, im Pandemiejahr deren 50. Darunter aber eben auch fünf Todesfälle innert kürzester Zeit, im Herbst letzten Jahres, und als Folge von Corona. «24 Bewohnende waren damals positiv, fünf sind leider verstorben», sagt Ramona Häfeli, die damals in ihrer Funktion als Kommunikationsverantwortliche gegenüber den Medien korrekt informiert hatte. Aber klar: Schlagzeilen wie diese waren nicht förderlich, um neue Kundschaft anzulocken. Wie das Virus sich verbreiten konnte, fand man nie heraus. «Wir haben uns nicht Gedanken darüber gemacht, was verboten ist – sondern darüber, was erlaubt ist», schildert VR-Präsidentin Johanna Bartholdi die GAG-Philosophie in diesen nicht eben einfachen Zeiten. Diese Vorgabe von Gina Kunst sei zu jedem Zeitpunkt spürbar gewesen, in allen drei Alterszentren. «Sie wurde auch gelebt», betont Bartholdi.
Die Fakten
Aktuell sind zehn von 175 Betten leer, das entspricht einer Belegung von 94 Prozent. Wenn man Ende Jahr bei 94 oder 95 Prozent stehe, sei man angesichts der Umstände einigermassen im Soll, sagt Kunst. Budgetiert sind üblicherweise aber 98 Prozent, in normalen Zeiten gibt es in den GAG-Alterszentren kaum freie Plätze. Deshalb haben die Verantwortlichen im Februar dieses Jahres handeln müssen: Fünf Vollzeitstellen in der Pflege wurden abgebaut, aber erst, nachdem man alle anderen Massnahmen geprüft und teilweise auch umgesetzt hat. Zwei Beispiele: Weiterbildungen wurden gestrichen und die Fensterreinigung an allen Gebäuden, die sonst zumeist extern vergeben wird, wurde teils in Eigenregie erledigt. «Wir haben eine Gruppe Mitarbeitender als Fensterreiniger eingeteilt. Das war auch gruppendynamisch, für den Kitt im Team, eine tolle Geschichte », erzählt Martina Christen. Bevor Kündigungen ausgesprochen wurden, hat man intern gefragt, wer aus Solidarität sein Pensum reduzieren möchte. Das hat etwas gebracht, zumal auch die Mitglieder der Geschäftsleitung ihre Pensen befristet runtergeschraubt haben.
VR-Vizepräsident André Grolimund gibt zu bedenken, dass sich aufgrund der Pflegestufen und deren Belegung erst der Stellenplan ergibt. Leere Betten bedeuten früher oder später den Abbau von Jobs. Die Krux an der Sache: «Wenn die Betten sich füllen, findet man das entsprechende Personal nicht mehr.»
Der Impfkampagne sei Dank sei man auf guten Wegen, sagt Grolimund. «Ich hoffe, dass wir alle das Schlimmste überstanden haben und die Bettensituation sich wieder normalisiert.» Die Aktivitäten in den GAG-Alterszentren werden hochgefahren, mit Zuversicht und Optimismus.
«Isolation? – Ich wurde bedient wie im Hotel»
Frieda Flück-Müller ist eine zufriedene Person. Seit vier Jahren lebt die gebürtige Laupersdörferin, die nach der Heirat nach Herbetswil gezogen war, nun schon im Egerkinger «Sunnepark». Letztes Jahr suchte der Coronavirus auch sie heim. «Dabei hatte ich überhaupt keine Anzeichen», erinnert sie sich. Aber das Testresultat besagte: sie war positiv. Was das hiess, war klar: Die 86-Jährige musste in Isolation. Zehn Tage auf dem Zimmer bleiben, keinen Fuss vor die Türe setzen, und wer sie besuchen durfte und ihr das Essen bis vor die Zimmertüre brachte, trug Schutzkleidung – das tönt nach Tortur. Aber Frieda Flück meisterte diese spezielle Situation mit stoischer Gelassenheit. «Es hat mir gar nicht so viel ausgemacht, ich wusste ja, dass diese Massnahme nötig war», sagt sie. Und erhält anerkennendes Nicken von Ramona Häfeli, der Kommunikationsverantwortlichen im Hause. Vielen Schicksalsschlägen zum Trotz ist sie eine frohe, lebenslustige Frau und hat in dieser Zeit gestrickt, Musik gehört, getanzt und die zehn Tage auf fast schon spielerische Art und Weise hinter sich gebracht. Sie hätten gut zu ihr geschaut, sie sei ja bedient worden wie im Hotel, sagt sie. Und lächelt. Aber klar: «Als ich das erste Mal wieder aus dem Zimmer durfte und am Tisch mit den anderen zmörgelen durfte, das war schön!» Denn ganz generell findet sie die Pandemie natürlich «schon schlimm». So etwas habe sie noch nie erlebt. «Im Zimmer trage ich keine Maske, aber wenn ich mal in den Gäupark rüber laufe, ziehe ich die Maske an», erzählt sie. Vor gut einem Monat ist sie in Hägendorf geimpft worden.