Fotoschätze Alois Winiger / Anzeiger Thal Gäu Olten
Die unzähligen Arbeitsstunden haben sich gelohnt: Alois Winiger daheim im Büro.

Fotoschätze von «wak» gibts nun in Buchform

Dass Alois Winiger seine schwarzweissen Fotografien aus den Jahren 1980 bis 1995 nun in Buchform publizieren kann, basiert auf seinem ausgeprägten Sinn für Ordnung. Der 70-jährige gebürtige Kestenholzer hat die Fähigkeit, scheinbar Unscheinbares fotografisch adäquat festzuhalten. Der Oltner Historiker André Schluchter, mit dem Winiger das Buch realisiert hat, sprich von einem «Fotoband, der Interesse wecken möchte».

«Glücksfall für die Historiker: Fotoreporter schenkt seinen Schatz dem Staatsarchiv », titelte die «Solothurner Zeitung» im Juli letzten Jahres. Alois Winiger, der für besagte Zeitung in den 80er- und 90er-Jahren insgesamt 88 000 Schwarz- Weiss-Bilder geschossen hatte, vermachte sein Werk dem Kanton. Und dies so, dass die Bilder von späteren Generationen einfach und digital gefunden werden können. Viele hundert Stunden hat Winiger, der gebürtige Kestenholzer, im Dachstock seines Hauses in Bätterkinden verbracht, um sein Archiv aufzuarbeiten: Zuerst musste er auf dem Leuchtpult die 2941 A4-Bögen mit den Negativen drin abfotografieren, bevor diese zu Fotodokumenten umgewandelt wurden. Danach ging er am Computer jedes einzelne Bild durch und hielt in einer Excel-Tabelle fest, was auf der jeweiligen Aufnahme zu sehen ist. Dass er dies immer schon handschriftlich notiert hatte, kam ihm dabei zugute. «Das war eine Riesenbüez», sagt Winiger rückblickend. Aber es war letztlich die Grundlage für das Buch, das in den vergangenen eineinhalb Jahren in Zusammenarbeit mit dem Oltner Historiker André Schluchter entstanden ist. Denn erst dieser Ordnungssinn machte Winigers «Schatz» für den Historiker wertvoll, weil auch verwertbar. Gerade weil er als Projektleiter die zwei Bände zur Kantonsgeschichte des 20. Jahrhunderts verantwortete, wusste Schluchter, wie schwierig es ist, Fotos aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu finden. Und fand nun bei Alois Winiger dieses so sauber geordnete Archiv vor.

Offene Türen eingerannt
Als Fotoreporter hatte Alois Winiger stets den Anspruch, auch von einem Allerweltsanlass ein ansprechendes Bild zu machen. Ein hehrer, oftmals aber auch schwierig zu erfüllender Anspruch. Güterzusammenlegung in Laupersdorf, Bau der Mehrzweckhalle in Neuendorf oder der Oltner Winkelüberbauung, Gant in Oensingen oder das Bild einer wilden Deponie in Wolfwil. Dies alles tönt vordergründig nicht wirklich sexy. Für den Historiker indes erschloss sich rasch die Bedeutung von Winigers Bestand für das kulturelle Erbe des Kantons. Dessen zigtausend Fotos bilden, in der Schlussphase der analogen Fotografie, historische Entwicklungen des Kantons ab. Mit seiner Bemerkung, dass man aus seinen Bildern ein «richtiges Buch» machen könnte, stiess Schluchter beim 71-jährigen Gäuer offene Türen ein. Seit er damals seine Fotos aus dem Zeitungsarchiv und vor einer drohenden Vernichtung gerettet hatte, trug Winiger diesen Gedanken im Hinterkopf mit sich herum. Nun gab plötzlich ein Wort das andere. Erste lose Ideen der beiden schwirrten schon 2019 herum, im Sommer 2020 ging das Duo auf Sponsorensuche, im Januar dieses Jahres legte der Historiker einen ersten Konzeptentwurf vor, parallel dazu lief die Themen- und Bilderauswahl. Und im Februar sprachen die beiden beim Verlag «hier&jetzt» vor, den Schluchter vermittelt hatte. Alois Winiger lacht. «Und dann ging es erst so richtig los.»

Fotoschätze Alois Winiger / Anzeiger Thal Gäu Olten
Februar 1984 in Oensingen: Zu Hunderten kamen die Leute an die Gant, die Versteigerung von bäuerlichem Gut. Gezielte Kaufabsichten hegte aber wohl nur ein gutes Dutzend.


Sein Auge für das Nebensächliche
Die zentrale Frage lautete: Welche Fotosujets verdienten es, Teil des Buches zu sein? «Während Schluchter dabei vom Ereignis ausging, liess ich mich vom Bild selber leiten», sagt Winiger. Für ihn entscheidend waren der emotionale Hintergrund, seine persönlichen Erinnerungen beim Fotografieren eines Sujets. Er liess er sich aber auch davon überzeugen, das eine oder andere für ihn eher langweilige Bild aufzunehmen aufgrund der historischen Bedeutung. Bei der Hälfte der ausgewählten Fotos – angepeilt wurden zu Beginn ungefähr hundert, deren 160 sind es letztlich geworden – waren sich Winiger und Schluchter auf Anhieb einig. Der Rest war Annäherung. Eine gute, kreative und enorm intensive Geschichte zwischen den beiden, die geprägt war von einigen realen Begegnungen, zu Zeiten der Pandemie aber vor allem von unzähligen Telefonaten. Eben weil für den Fotografen ein Bild mit einer persönlichen Geschichte verknüpft war, dem Historiker aber diese und jene Aufnahme etwas in Erinnerung rief, das er während der Arbeit an der Kantonsgeschichte gestreift hatte oder das ihn nicht losliess.

«Rund ein Drittel der Bilder, die ich für das Buch ausgesucht habe, sind Bilder, die ursprünglich gar niemand auf der Redaktion bestellt hatte», sagt Winiger. Bei seinen Einsätzen als Fotoreporter nahm er sich die Freiheit, zu fotografieren, was ihm, subjektiv und im Moment, wichtig erschien. «Ich habe fotografiert und das Ganze mit einem kurzen Text versehen.» Manchmal konnte die Redaktion eines dieser «Füllerbilder» verwenden, oft auch nicht.

Die Arbeit fürs Buch hat ihn gefesselt
Waren die Fotos für das Buch erst einmal definiert, betrat deren Macher schon wieder Neuland. Winiger respektive «wak» (Winiger Alois Kestenholz), wie sein journalistisches Gütezeichen war und ist: «Wir hatten ein Bild und erstellten dazu noch einen Text. Als Fotograf war ich mir genau die umgekehrte Herangehensweise gewohnt.» Aber Schluchter war es ein Anliegen, ein Bild, wo möglich und sinnvoll, mit dem heutigen Wissensstand zu ergänzen. Im Rückblick falle auch auf, wie viel von dem, was die Leute damals bewegt habe, heute noch aktuell beziehungsweise ungelöst sei, schreibt Schluchter im Buch. Eine offene Deponie etwa, wie Winiger sie in Wolfwil fotografiert hat, gibts heute nicht mehr, sie ist längst zugeschüttet. «Aber ihre Hinterlassenschaft ist noch da, ebenso die Frage nach dem Wohin mit dem atomaren Abfall.»

Fotoschätze Alois Winiger / Anzeiger Thal Gäu Olten
«Sauerei bei Wolfwil», lautete die Legende in der «Solothurner Zeitung» vom 28. März 1982 zum Bild der wilden Kehrichtdeponie im Hinterbännli.


Und «wak» betont, wie sehr diese einordnenden Texte zu den Fotos, die kurz und doch so prägnant zu sein hatten, ihn herausgefordert haben. «Läck Bobby, war das spannend!», entfährt es Winiger. Immer wieder von neuem habe er sich in die Materie gekniet und recherchiert, das Feuer für die Sache, für sein Werk, sei in all den Monaten nie erloschen. «Sogar das Musizieren habe ich zeitweise sein lassen. Und bin ab und zu auch mitten in der Nacht aufgestanden …» Als Lohn hält er nun das fertige Buch in seinen Händen.

Fotoband, der Interesse wecken soll
André Schluchter betont, man lege kein Geschichtsbuch vor, dazu sei ihre Bildauswahl zu subjektiv und zu lückenhaft. Dafür aber einen Fotoband, der Interesse wecken und die eine oder andere Erinnerung hervorrufen möge an das, was war.

Der Autor dieses Artikels, der einige Jahre mit «wak» zusammengearbeitet hat, fügt gerne an: So sehr, wie Alois Winiger sich als Person nicht in den Mittelpunkt zu stellen brauchte, so sehr hatte er als Fotograf das Auge für das vermeintlich Unscheinbare und die Gabe, dies passend in Szene zu setzen. Wunderbar, dass daraus nun ein Buch entstanden ist.

Fotoschätze Alois Winiger / Anzeiger Thal Gäu Olten
Am 10. März 1983 gab die von Roll AG bekannt, der Form- und Schmelzbetrieb in der Klus werde eingestellt, 70 Jobs gingen verloren. Rechts hinten das ehemalige Ofenhaus.


Vernissage am Buchfestival Olten
Das Buch «Der Kanton Solothurn im Bild von 1980-1995» besteht aus einem alphabetisch nach 120 Stichworten geordneten Bildtteil. Die Bilder von Alois Winiger sind begleitet von Kurztexten, welche die damalige Situation mit dem heutigen Wissensstand ergänzen. Historiker André Schluchter gibt dazu eine historische Einordnung.

Buchpräsentationen im Anzeigergebiet:
5. November, 18.30 Uhr: Vernissage am Buchfestival Olten, in der Schützi;
13. November, 19 Uhr: Bibliothek Laupersdorf;
25. November, 19.30 Uhr: Kestenholz, voraussichtlich in der Kirche.

Verlag Hier und Jetzt, ISBN 978-3- 03919-550-3, 39 Franken.

Text: NIK & Bilder: wak