Alte Gaertnerei Härkingen / Anzeiger Thal Gäu Olten
Unsere Region im Schlaf entdecken – zum Beispiel in der Alten Gärtnerei in Härkingen, wo Rita und Ernst Studer im ehemaligen Gewächshaus ein Bijou realisiert haben.

Träumen in ihrem Garten Eden

Sommerserie «Die Region im Schlaf entdecken» (1): Übernachten in der Alten Gärtnerei in Härkingen

Ernst und Rita Studer haben vor neun Jahren im Gewächshaus ihrer ehemaligen Gärtnerei in Härkingen ein kleines Hotel eröffnet. Ihre Gäste kommen aus der ganzen Welt und schätzen das unkonventionelle Übernachten umgeben von Pflanzen und die Gärtnerei-Atmosphäre. Diese wollten Studers nämlich bewusst beibehalten.

Wer das Hotel Alte Gärtnerei in Härkingen betritt, der spürt sofort das mediterrane Flair, welches das ehemalige Gewächshaus versprüht. Hier, wo jahrzehntelang Blumensträusse gebunden, Pflanzen produziert und verkauft wurden, gehen heute Gäste ein und aus.

Vor neun Jahren haben Ernst und Rita Studer ihre Gärtnerei zu einem «Hotel Bed and Breakfast» umgewandelt. Eine unkonventionelle Idee, die es so nicht häufig gibt. Dass Gewächshäuser umfunktioniert werden, zu Restaurants oder Wohnhäusern, komme vor, erzählt Rita Studer. Darin aber Übernachtungen anzubieten, das sei selten. Bei Studers waren es Einflüsse von aussen, die sie zur Umnutzung ihrer Gewächshäuser veranlasst haben.

Alte Gaertnerei Härkingen / Anzeiger Thal Gäu Olten
Früher Gärtner und Floristin, heute stolze Hotel-Betreiber. Ernst und Rita Studer sind mehr als zufrieden mit ihrem neuen Leben.


Preiskampf führt zur Schliessung
Das Ehepaar Studer – er ist Gärtner, sie Floristin – hat die Gärtnerei im Jahr 1987 von Ernsts Eltern übernommen. In der Saison beschäftigten Studers bis zu 18 Angestellte. Nach der Jahrtausendwende aber sei der Preiskampf bei den produzierenden Gärtnereien, unter anderem aufgrund von Pflanzen- und Blumen- Importen, immer grösser geworden. Die beiden entscheiden sich deshalb, ihren Betrieb kontinuierlich herunterzufahren. 2009 wurde die Gärtnerei Studer endgültig geschlossen.

Der Gedanke, die Gärtnerei in etwas Neues umzuwandeln, sei langsam in ihnen gewachsen, sagt Rita Studer. «Es war ein Prozess über mehrere Jahre.» Vor allem die lichtdurchfluteten Gewächshäuser inspirierten das Ehepaar. Die Ideen, daraus eine Eventhalle zu machen oder gar selbst in die Treibhäuser zu ziehen, verwarfen sie aber schnell. Von Bekannten hätten sie dann gehört, dass es in der Region zu wenige Unterkünfte für Arbeiter und Geschäftsleute gebe. So entstand die Vision von einem kleinen Hotel mit Gästezimmern.


Charakter der Gärtnerei beibehalten
Nach mehreren Monaten Planungsphase begann 2013 der Bau. Die Zimmer bestehen aus schalldichten Modulen, die im Gewächshaus zusammengebaut wurden. Das Projekt sei sowohl finanziell als auch vom Aufwand her mit einem Hausbau vergleichbar, sagt Rita Studer. Besonders wichtig war dem Ehepaar, den Charakter des Gebäudes beizubehalten. «Wir wollen, dass unsere Gäste die Gärtnerei noch riechen und spüren.» Auch deshalb haben sie viele Möbel, wie etwa Arbeitstische von früher, in ihr Hotel integriert. Die acht Zimmer im Gewächshaus sind alle nach Blumen benannt, die Studers früher produziert und verkauft haben. Sie heissen Gerbera, Rose oder Alstromeria und sind auch im Innern passend dazu gestaltet. Darüber hinaus sind alle Zimmer gleich gross, zweckmässig eingerichtet und mit jeweils zwei Betten ausgestattet, sodass jeder Raum als Einzel- oder Doppelzimmer genutzt werden kann. Vorhanden sind ausserdem jeweils eine Dusche und ein Bad und ein TV. An der Decke ist ein kleines Fenster angebracht, welches sich aus Brandschutzgründen nicht öffnen lässt, durch welches man aber bei gutem Wetter und klarer Sicht durch die Glasfenster des Gewächshauses den Himmel sehen kann, sagt Rita Studer. Die Räume sind mit einem automatischen Lüftungssystem ausgestattet und werden im Sommer gekühlt.

Alte Gaertnerei Härkingen / Anzeiger Thal Gäu Olten
Alle Zimmer in der Alten Gärtnerei sind nach Pflanzen benannt und wie hier, im Zimmer Rose, auch passend dazu gestaltet.


Zum Hotel gehören ausserdem ein grosszügiger Aufenthaltsraum mit einer Bar zur Selbstbedienung und ein Frühstücksraum, in dem Studers jeden Morgen ab 6 Uhr ein reichhaltiges Buffet auftischen. Auf der anderen Seite der Gewächshäuser gibt es ausserdem einen naturnahen Garten mit Tischen, Lounge, Orangen- und Olivenbäumen, welche die Gäste nutzen können. Zum Team in der Alten Gärtnerei gehören mittlerweile drei Mitarbeiterinnen, die abwechselnd in der Morgenschicht im Einsatz sind.

Grosse Bandbreite an Gästen
Als sie 2014 ihr Hotel eröffneten, hätten sich ihre anfänglichen Sorgen, ob überhaupt genug Gäste kommen würden, schnell in Luft aufgelöst. Von Beginn an war die Alte Gärtnerei gut besucht. Auch am Tag unseres Besuchs sind alle Zimmer ausgebucht. Die Bandbreite bei den Gästen ist gross. Da sind der Pilger, der auf dem Weg durch die Schweiz Erholung sucht, die hawaiianische Tanzgruppe, die Wrestler aus Texas und Neuseeland, die für einen Kampf in Olten angereist sind, oder die osteuropäischen Lastwagenchauffeure, die darauf warten, dass ihr Fahrzeug repariert wird, nur einige Beispiele von vielen. «Wir haben die halbe Welt hier zu Gast», sagt Rita Studer stolz. Einen grossen Teil der Kundschaft machten Arbeiter und Geschäftsreisende aus, welche in der Region Termine hätten, auf Baustellen oder an Grossprojekten arbeiteten. Aber auch viele Familien und Gruppen, die zum Wandern und Biken im nahen Naturpark unterwegs sind, die ihre Familienfeste in der Alten Gärtnerei feiern oder auf dem Weg in die Ferien einen Zwischenstopp machen, entdecken das Hotel. «Es ist unfassbar spannend, was wir hier erleben», sagt die 57-Jährige.


Viel Freude an der neuen Aufgabe
So sagt sie denn auch, dass sie ihr altes Leben als Floristin in der eigenen Gärtnerei nicht vermisse – im Gegenteil. «Ich war 25 Jahre mit Leib und Seele Floristin, aber mir macht die Hotellerie fast noch mehr Freude.» Der Branchenwechsel sei ihnen nicht schwergefallen. «Es ist gar nicht ein so grosser Unterschied zu vorher.» In beiden Branchen müsse man Menschen mögen, offen und neugierig sein und den Dienstleistungsaspekt schätzen. Auch die Arbeitszeiten seien keine grosse Umstellung gewesen. Schon vorher hatten Studers keinen «9-to-5-Job». Ihr Mann und sie hätten durch unschöne Umstände von aussen die Chance bekommen, ein neues Metier kennenzulernen, das sei sehr befriedigend.

Das Paar hat vier Töchter, von welchen einige auch in der Hotellerie/Gastronomie tätig sind. Ob eine von ihnen dereinst das Hotel übernehmen werde und vielleicht sogar noch ausbaue, stehe noch in den Sternen, sei aber eine Möglichkeit. Bis es so weit ist, wollen Studers ihr «kleines Paradies», wie es Rita Studer nennt, aber noch geniessen und viele Gäste begrüssen.

Die Kosten
Die acht Gästezimmer kosten im Einzelzimmer ab 130 Franken, im Doppelzimmer ab 165 Franken pro Nacht. Kinder zwischen fünf und vierzehn Jahren kosten 50 Franken, jüngere übernachten gratis. Das Frühstück ist im Preis inbegriffen.

Alle Infos: www.altegaertnerei.ch

Text & Bilder: MB