Neulich beim Einkaufen stieg ihm der Hyazinthenduft quer in die Nase. Beissend schoss die Süsse durch seinen Riechkolben und stechend die Sehnsucht in sein Herz. Frühlingserinnerung. Neuanfang? Nein, er war noch nicht bereit für Frühling. Sein Bett war noch immer mit der warmen Bettwäsche bezogen, im Wohnzimmer standen noch Kerzen, in der Schokoladen- Schublade lag sogar noch ein kleiner Nikolaus, dessen Ablaufdatum erst in einem Monat war. Nein, er war noch nicht bereit für Frühling. Auch wenn um ihn herum Frühling und das blühende Leben in Form von Hyazinthen, Narzissen und Tulpen feilgeboten wurde. Er fühlte sich nach Winter an. Und irgendwie war ja auch Winter, zumindest gemäss Kalender und Meteorologie. Viele Menschen um ihn herum schienen es nicht zu wissen. Nicht wissen zu wollen, schien es ihm. Ja, dunkel waren die Wintertage. Lang, nicht enden wollend die Nächte. Beängstigend die Gedanken. Er liess sie zu. Liess Leere zu. Kälte. Ja, sogar den Tod in seinen Facetten. Er liess den Winter zu. Lud ihn ein und lauschte, wie er still, schweigend, klärend in sein Leben kam. Es schien ihm ganz natürlich.
Menschen um ihn herum lechzen nach Frühling. Mitten im Winter. Gerade mitten im Winter. Sie stürzen sich auf die ersten Tulpen, holen Leben in ihr Leben. Stellen Vasen voller Hoffnung auf die Tische und glauben, dem Winter, vielleicht sogar dem Tod, entronnen zu sein. Vorhin hat er Schneeglöggli in einem Garten gesehen. Die Luft riecht anders. Er atmet tief ein. Bereit für Frühling.
Martina Flück freut sich an den Widebüsseli vor dem Fenster.