Bürgergemeindepräsident Bruno Zeltner / Anzeiger Thal Gäu Olten

Gast aus der Eiszeit schmückt neuen Dorfplatz

Ein 11 Tonnen schwerer Findling ruhte im Niederbuchsiter Schlattrain

Er lag Tausende von Jahren unter der Erde, bis eine Seniorengruppe ihn vor zwei Jahren aufspürte und freilegte. Heute Donnerstag wird der 11 Tonnen schwere erratische Block an seinen künftigen Bestimmungsort transportiert: Der Findling wird den neuen Niederbuchsiter Dorfplatz schmücken.

Sein «Steckbrief» im Inventar der geowissenschaftlich schützenswerten Objekte des Kantons Solothurn liest sich eher nüchtern. Aber der Findling aus der Riss-Eiszeit (240000 bis 180000 Jahre vor unserer Zeit) hat schon viel zu viele Jahrtausende kommen und gehen gesehen, als dass ihn dies in irgendeiner Weise stören würde. Stoisch lag er bis vor zwei Wochen in einer Böschung im Niederbuchsiter Schlattrain, die Oberfläche lugte teilweise aus dem Waldboden heraus, so dass sich sein Ausmass zumindest einigermassen erahnen liessen. Freigelegt hatte den Stein, diesen erratischen Block, die örtliche Seniorengruppe im Rahmen eines Waldarbeitstages im Jahr 2018 nach einem Hinweis von Kurt Henzirohs.

Die Spezialisten mussten es richten
Vor zwei Wochen nun ist der Koloss mit einem speziellen Baggergerät aus der Erde geholt und vor das Forstmagazin der Bürgergemeinde transportiert worden. Deren Präsident Bruno Zeltner beginnt zu lachen, als er erzählt, dass sie in der Seniorengruppe Waldvogel überzeugt gewesen seien, den Stein selber heben und ins Dorf transportieren zu können. «Wir gingen von einem Gewicht von vielleicht vier, fünf Tonnen aus und versuchten, ihn mittels dreier Habeggerzüge in Bewegung zu setzen. Aber der Findling bewegte sich keinen Millimeter… ». Also organisierte er die Spezialisten von der Reinhold Dörfliger AG, die mit ihrem entsprechend grossen Bagger anrückten. Es gelang ihnen denn auch, den Findling aus der Erde zu holen, ihn mittels Seilen aus dem Wald zu ziehen und ihn auf einen Welaki-Kipper zu heben. Die integrierte Waage (Abweichung: +/- 500 Kilogramm) zeigte satte elf Tonnen an.

Der Stein steht unter Schutz
Die Masse des Brockens: 250×200×150 Zentimeter. Das Inventar, erstellt natürlich noch vor der Bergung, beschreibt seinen Zustand als «gering beeinträchtigt», es handle sich um einen quarzreichen Gneis. Und weiter steht dort in bester Fachsprache geschrieben: «Er ist recht inhomogen. An einem Rand ist vermutlich ein Aplitgangvorhanden.» Ein Aplitgang, das ist eine Ader im Nebengestein mit älterer Schieferung. Viel wichtiger aber: Der Findling gilt offiziell und gemäss Beschluss des Solothurner Regierungsrates vom 10. Dezember 1971 als erhaltenswert. Die Regierung war damals zum Schluss gekommen, alle vorhandenen und alle noch unbekannten, künftigen erratischen Blöcke unter Schutz zu stellen – dies aus dem nachvollziehbaren Grund, weil ihre Experten im Rahmen der Revision des Inventares der geschützten Objekte des Naturschutzes verschiedene Blöcke schlicht nicht mehr gefunden hatten. Dabei, so die Exekutive in ihrem Beschluss, seien doch erratische Blöcke «in erster Linie die eindrucksvollsten Zeugen des Phänomens der Eiszeiten». Und ihre Erhaltung schlicht von grossem wissenschaftlichen Interesse.

Im Wald belassen – oder nicht?
Dieser Beschluss gilt auch für den Findling im Niederbuchsiter Schlattrain. Deshalb stellte sich rasch einmal die Frage: Den kolossalen Zeitzeugen dort, im Wald, belassen und bestenfalls mittels dezenter Beschilderung unten auf dem Waldweg auf den Zeitzeugen hinweisen? Oder aber ihn mitten in der Gemeinde, für alle sichtbar und als Zeugnis der Vergangenheit, aufstellen? «Die Bürgergemeinde hat entscheiden, den Findling sichtbar zu machen»,sagt Bruno Zeltner. «Der Stein ist unser Beitrag an den neuen Dorfplatz!» Aus diesem Grund wird er heute Donnerstag an seinen neuen Standort transportiert und dort, in einer eigens angelegten kleinen Mulde, platziert. Laut Zeltner werden auf einer Tafel die wichtigsten Informationen zum Stein und seiner Herkunft – vermutet wird der Rhonegletscher – aufgeführt. Der Begriff «erratisch» steht übrigens für «verirrt», für «weit weg vom Ursprung». Geht es nach Bruno Zeltner, so hat der Elftönner seinerzeit seine Reise genau an der richtigen Stelle beendet.

Bild & Text: NIK